drückte kein Grübchen; es war die aus blosser Erfahrung hinzukommende Natur des Bleyes dazu nöthig; eine Ku- gel von Baumwolle hätte nicht dazu getaugt.
Kurz: die Succession der Erscheinungen ist und bleibt einzig ein Gegebenes; und man verfehlt gänzlich den Sinn, verdirbt gänzlich den Gehalt des Causalbe- griffs, wenn man ihn, der sich lediglich auf den Wider- spruch in der Veränderung bezieht, auf die Reihenfolge der Empfindungen deutet, die nicht von ihm ein Gesetz empfängt, sondern ihm vielmehr die nähern Bestimmun- gen liefert, ohne die er nicht zur Anwendung auf Ge- genstände der Erfahrung gelangen kann.
Wem nun dies Alles noch nicht hinreichende Hülfe leistet, um aus dem gewohnten Vorurtheil herauszukom- men: der schaffe dadurch Licht in seinem Geiste, dass er sich die mannigfaltigen Arten der Causalität verge- genwärtigt, die aus der Erfahrung bekannt sind. Um diese Betrachtung gehörig vorzubereiten, muss man fol- gendes überlegen. Gesetzt, Causalität sey Bestimmung einer Zeitfolge: so ist verschiedene Causalität ver- schiedene Bestimmung der Zeitfolge. Gesetzt hinge- gen, nicht alle Verschiedenheit der Causalität lasse sich auf solche Unterschiede zurückführen, wodurch die Zeit- folge anders und anders bestimmt wird: so muss in dem Causalbegriff noch ein anderes Bestimmbares liegen, an welches sich die Unterscheidungen anfügen, und wel- ches ihr fundamentum divifionis ausmacht. Dann ist also der Causalbegriff wenigstens nicht erschöpft durch die Annahme, dass er die Succession der Erscheinungen vest- stelle; und man kann im Aufsuchen dessen, was die Ar- ten der Causalität unterscheidet, neue Anknüpfungspuncte fürs Nachdenken, neue Spuren der Wahrheit finden. Und nun frage man sich, ob wohl die tödtende Wir- kung des Arseniks, und die wohlthätige einer Predigt, und die chemische der Voltaischen Säule, und die An- ziehung der Haarröhrchen, und die schmelzende Kraft eines Brennglases, sammt den eingebildeten Wirkungen
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drückte kein Grübchen; es war die aus bloſser Erfahrung hinzukommende Natur des Bleyes dazu nöthig; eine Ku- gel von Baumwolle hätte nicht dazu getaugt.
Kurz: die Succession der Erscheinungen ist und bleibt einzig ein Gegebenes; und man verfehlt gänzlich den Sinn, verdirbt gänzlich den Gehalt des Causalbe- griffs, wenn man ihn, der sich lediglich auf den Wider- spruch in der Veränderung bezieht, auf die Reihenfolge der Empfindungen deutet, die nicht von ihm ein Gesetz empfängt, sondern ihm vielmehr die nähern Bestimmun- gen liefert, ohne die er nicht zur Anwendung auf Ge- genstände der Erfahrung gelangen kann.
Wem nun dies Alles noch nicht hinreichende Hülfe leistet, um aus dem gewohnten Vorurtheil herauszukom- men: der schaffe dadurch Licht in seinem Geiste, daſs er sich die mannigfaltigen Arten der Causalität verge- genwärtigt, die aus der Erfahrung bekannt sind. Um diese Betrachtung gehörig vorzubereiten, muſs man fol- gendes überlegen. Gesetzt, Causalität sey Bestimmung einer Zeitfolge: so ist verschiedene Causalität ver- schiedene Bestimmung der Zeitfolge. Gesetzt hinge- gen, nicht alle Verschiedenheit der Causalität lasse sich auf solche Unterschiede zurückführen, wodurch die Zeit- folge anders und anders bestimmt wird: so muſs in dem Causalbegriff noch ein anderes Bestimmbares liegen, an welches sich die Unterscheidungen anfügen, und wel- ches ihr fundamentum divifionis ausmacht. Dann ist also der Causalbegriff wenigstens nicht erschöpft durch die Annahme, daſs er die Succession der Erscheinungen vest- stelle; und man kann im Aufsuchen dessen, was die Ar- ten der Causalität unterscheidet, neue Anknüpfungspuncte fürs Nachdenken, neue Spuren der Wahrheit finden. Und nun frage man sich, ob wohl die tödtende Wir- kung des Arseniks, und die wohlthätige einer Predigt, und die chemische der Voltaischen Säule, und die An- ziehung der Haarröhrchen, und die schmelzende Kraft eines Brennglases, sammt den eingebildeten Wirkungen
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drückte kein Grübchen; es war die aus bloſser Erfahrung
hinzukommende Natur des Bleyes dazu nöthig; eine Ku-
gel von Baumwolle hätte nicht dazu getaugt.
Kurz: die Succession der Erscheinungen ist und
bleibt einzig ein Gegebenes; und man verfehlt gänzlich
den Sinn, verdirbt gänzlich den Gehalt des Causalbe-
griffs, wenn man ihn, der sich lediglich auf den Wider-
spruch in der Veränderung bezieht, auf die Reihenfolge
der Empfindungen deutet, die nicht von ihm ein Gesetz
empfängt, sondern ihm vielmehr die nähern Bestimmun-
gen liefert, ohne die er nicht zur Anwendung auf Ge-
genstände der Erfahrung gelangen kann.
Wem nun dies Alles noch nicht hinreichende Hülfe
leistet, um aus dem gewohnten Vorurtheil herauszukom-
men: der schaffe dadurch Licht in seinem Geiste, daſs
er sich die mannigfaltigen Arten der Causalität verge-
genwärtigt, die aus der Erfahrung bekannt sind. Um
diese Betrachtung gehörig vorzubereiten, muſs man fol-
gendes überlegen. Gesetzt, Causalität sey Bestimmung
einer Zeitfolge: so ist verschiedene Causalität ver-
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gen, nicht alle Verschiedenheit der Causalität lasse sich
auf solche Unterschiede zurückführen, wodurch die Zeit-
folge anders und anders bestimmt wird: so muſs in dem
Causalbegriff noch ein anderes Bestimmbares liegen,
an welches sich die Unterscheidungen anfügen, und wel-
ches ihr fundamentum divifionis ausmacht. Dann ist also
der Causalbegriff wenigstens nicht erschöpft durch die
Annahme, daſs er die Succession der Erscheinungen vest-
stelle; und man kann im Aufsuchen dessen, was die Ar-
ten der Causalität unterscheidet, neue Anknüpfungspuncte
fürs Nachdenken, neue Spuren der Wahrheit finden.
Und nun frage man sich, ob wohl die tödtende Wir-
kung des Arseniks, und die wohlthätige einer Predigt,
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/374>, abgerufen am 27.11.2024.
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