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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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einmal denkbar findet, indem ein Vieles, das
sich ohne alles Band bloss beysammen findet,
nicht Eins seyn kann
.

Wenn aber weiterhin, vermöge der Urtheile,
den eingebildeten Einheiten ein Prädicat nach dem an-
dern einzeln beygelegt wird: so lösen sich die Einheiten
auf in lauter Prädicate; und es entdeckt sich, dass nun
für die sämmtlichen Prädicate gar kein Subject da ist.
Jetzt folgt die zweyte Täuschung; die Stelle des
Subjects, dergleichen der Prädicate wegen nicht
wohl zu entbehren ist, wird ausgefüllt durch ein
unbekanntes Substrat
, (wie bey Locke, §. 139.)
das gleichwohl nicht als schlechthin einfach, (wie ein
wahres Wesen), sondern entweder räumlich bestimmt,
(als ein Atom,) oder als Besitzer von allerley Kräften
und Thätigkeiten, (wovon die Leibnitzischen Monaden
ein Beyspiel geben) gedacht wird; und das von hier aus
zu gar mancherley vielgestaltigen Irrthümern Gelegenheit
bietet.

Zu den ärgsten unter diesen Irrthümern gehört ei-
ner, der als Verbesserung auftritt. Der Begriff des un-
bekannten Substrats sey im Grunde gänzlich leer; man
könne ihn entbehren, indem man die daran ge-
knüpften Kräfte und Thätigkeiten
(bey deren In-
härenz in dem Stoffe sich freylich nichts denken lässt)
selbst als das wahre Reale ansehn. -- Dadurch
verwandelt sich das Reale nun gar in ein Relatives, das
Schlechthin gesetzte in ein Bedingtes; denn Thätigkeiten
sind nichts ohne, von ihnen zu unterscheidende, Pro-
ducte, und Kräfte nichts ohne leidende Objecte. Sol-
len die Kräfte nicht nach aussen gehn, so kommen, als
Extreme von Ungereimtheit, jene Wirbel zum Vorschein,
worin sich die caussa sui mit dem effectus sui herumdreht.

Die letzterwähnten Irrthümer können wir jedoch hier
nicht weiter verfolgen; wir müssten sonst die Kritik der
Systeme einzelner Philosophen vornehmen, welches uns
viel zu weit über unser Ziel hinausführen würde. Es

einmal denkbar findet, indem ein Vieles, das
sich ohne alles Band bloſs beysammen findet,
nicht Eins seyn kann
.

Wenn aber weiterhin, vermöge der Urtheile,
den eingebildeten Einheiten ein Prädicat nach dem an-
dern einzeln beygelegt wird: so lösen sich die Einheiten
auf in lauter Prädicate; und es entdeckt sich, daſs nun
für die sämmtlichen Prädicate gar kein Subject da ist.
Jetzt folgt die zweyte Täuschung; die Stelle des
Subjects, dergleichen der Prädicate wegen nicht
wohl zu entbehren ist, wird ausgefüllt durch ein
unbekanntes Substrat
, (wie bey Locke, §. 139.)
das gleichwohl nicht als schlechthin einfach, (wie ein
wahres Wesen), sondern entweder räumlich bestimmt,
(als ein Atom,) oder als Besitzer von allerley Kräften
und Thätigkeiten, (wovon die Leibnitzischen Monaden
ein Beyspiel geben) gedacht wird; und das von hier aus
zu gar mancherley vielgestaltigen Irrthümern Gelegenheit
bietet.

Zu den ärgsten unter diesen Irrthümern gehört ei-
ner, der als Verbesserung auftritt. Der Begriff des un-
bekannten Substrats sey im Grunde gänzlich leer; man
könne ihn entbehren, indem man die daran ge-
knüpften Kräfte und Thätigkeiten
(bey deren In-
härenz in dem Stoffe sich freylich nichts denken läſst)
selbst als das wahre Reale ansehn. — Dadurch
verwandelt sich das Reale nun gar in ein Relatives, das
Schlechthin gesetzte in ein Bedingtes; denn Thätigkeiten
sind nichts ohne, von ihnen zu unterscheidende, Pro-
ducte, und Kräfte nichts ohne leidende Objecte. Sol-
len die Kräfte nicht nach auſsen gehn, so kommen, als
Extreme von Ungereimtheit, jene Wirbel zum Vorschein,
worin sich die caussa sui mit dem effectus sui herumdreht.

Die letzterwähnten Irrthümer können wir jedoch hier
nicht weiter verfolgen; wir müſsten sonst die Kritik der
Systeme einzelner Philosophen vornehmen, welches uns
viel zu weit über unser Ziel hinausführen würde. Es

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[312/0347] einmal denkbar findet, indem ein Vieles, das sich ohne alles Band bloſs beysammen findet, nicht Eins seyn kann. Wenn aber weiterhin, vermöge der Urtheile, den eingebildeten Einheiten ein Prädicat nach dem an- dern einzeln beygelegt wird: so lösen sich die Einheiten auf in lauter Prädicate; und es entdeckt sich, daſs nun für die sämmtlichen Prädicate gar kein Subject da ist. Jetzt folgt die zweyte Täuschung; die Stelle des Subjects, dergleichen der Prädicate wegen nicht wohl zu entbehren ist, wird ausgefüllt durch ein unbekanntes Substrat, (wie bey Locke, §. 139.) das gleichwohl nicht als schlechthin einfach, (wie ein wahres Wesen), sondern entweder räumlich bestimmt, (als ein Atom,) oder als Besitzer von allerley Kräften und Thätigkeiten, (wovon die Leibnitzischen Monaden ein Beyspiel geben) gedacht wird; und das von hier aus zu gar mancherley vielgestaltigen Irrthümern Gelegenheit bietet. Zu den ärgsten unter diesen Irrthümern gehört ei- ner, der als Verbesserung auftritt. Der Begriff des un- bekannten Substrats sey im Grunde gänzlich leer; man könne ihn entbehren, indem man die daran ge- knüpften Kräfte und Thätigkeiten (bey deren In- härenz in dem Stoffe sich freylich nichts denken läſst) selbst als das wahre Reale ansehn. — Dadurch verwandelt sich das Reale nun gar in ein Relatives, das Schlechthin gesetzte in ein Bedingtes; denn Thätigkeiten sind nichts ohne, von ihnen zu unterscheidende, Pro- ducte, und Kräfte nichts ohne leidende Objecte. Sol- len die Kräfte nicht nach auſsen gehn, so kommen, als Extreme von Ungereimtheit, jene Wirbel zum Vorschein, worin sich die caussa sui mit dem effectus sui herumdreht. Die letzterwähnten Irrthümer können wir jedoch hier nicht weiter verfolgen; wir müſsten sonst die Kritik der Systeme einzelner Philosophen vornehmen, welches uns viel zu weit über unser Ziel hinausführen würde. Es

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/347>, abgerufen am 25.11.2024.