womit Kant sein Geschäfft betrieb, braucht kaum noch erinnert zu werden. Wir wollen nachweisen, wie dieje- nigen Begriffe entstehn, welche die Metaphysik weiter zu bearbeiten hat; und in so fern muss sie da fortfahren, wo wir abbrechen. Wir werden also hier nicht lehren, was man sich am Ende aller Nachforschung als Substanz und Kraft zu denken habe; -- der Verfasser dieses Buchs war darüber längst vorher mit sich einig, ehe er es un- ternahm, die Psychologie als besondern Theil der gan- zen Metaphysik zu bearbeiten; -- sondern wir werden erklären, wie es möglich sey, dass der menschliche Geist sich so sonderbare Probleme vorlege, um derentwillen ihm eine Metaphysik zum Bedürfniss wird.
Der bessern Vorbereitung wegen wollen wir aber eine andre Untersuchung voranschicken, von der es viel- leicht nicht sogleich ins Auge fällt, wie sie mit der jetzt angekündigten zusammenhänge; -- nämlich die von der Möglichkeit des eigentlichen, deutlichen Denkens. Da- bey wird als bekannt vorausgesetzt, dass die Deutlichkeit auf der Zerlegung eines Gedankens in seine Theile, ei- nes Begriffs in seine Merkmale beruhe, -- auf dem Auseinandersetzen, welcher Ausdruck hier so wört- lich als möglich zu nehmen ist, denn es soll dabey auch noch an die Schätzung, wohl gar Abmessung, des Gra- des der Verschiedenheit unter je zwey mit einander ver- glichenen Merkmalen gedacht werden; wie wenn die Grade der Wärme und Kälte nach dem Thermometer, die der Schwere nach dem Gewichte bestimmt werden.
Um hierüber Rechenschaft geben zu können, müssen wir erst gewisser Vorstellungsarten erwähnen, die recht füglich mit Raum und Zeit verglichen, und mit diesen unter der Benennung Reihenformen, zusammengefasst werden mögen. Hiebey dürfen wir nur in den §. 100. zurückblicken.
Wie der Raum auf abgestuften Verschmelzungen beruht: (§. 110--114.) so erzeugen sich die Vorstellun- gen von ähnlichen Continuen allemal unter ähnlichen
womit Kant sein Geschäfft betrieb, braucht kaum noch erinnert zu werden. Wir wollen nachweisen, wie dieje- nigen Begriffe entstehn, welche die Metaphysik weiter zu bearbeiten hat; und in so fern muſs sie da fortfahren, wo wir abbrechen. Wir werden also hier nicht lehren, was man sich am Ende aller Nachforschung als Substanz und Kraft zu denken habe; — der Verfasser dieses Buchs war darüber längst vorher mit sich einig, ehe er es un- ternahm, die Psychologie als besondern Theil der gan- zen Metaphysik zu bearbeiten; — sondern wir werden erklären, wie es möglich sey, daſs der menschliche Geist sich so sonderbare Probleme vorlege, um derentwillen ihm eine Metaphysik zum Bedürfniſs wird.
Der bessern Vorbereitung wegen wollen wir aber eine andre Untersuchung voranschicken, von der es viel- leicht nicht sogleich ins Auge fällt, wie sie mit der jetzt angekündigten zusammenhänge; — nämlich die von der Möglichkeit des eigentlichen, deutlichen Denkens. Da- bey wird als bekannt vorausgesetzt, daſs die Deutlichkeit auf der Zerlegung eines Gedankens in seine Theile, ei- nes Begriffs in seine Merkmale beruhe, — auf dem Auseinandersetzen, welcher Ausdruck hier so wört- lich als möglich zu nehmen ist, denn es soll dabey auch noch an die Schätzung, wohl gar Abmessung, des Gra- des der Verschiedenheit unter je zwey mit einander ver- glichenen Merkmalen gedacht werden; wie wenn die Grade der Wärme und Kälte nach dem Thermometer, die der Schwere nach dem Gewichte bestimmt werden.
Um hierüber Rechenschaft geben zu können, müssen wir erst gewisser Vorstellungsarten erwähnen, die recht füglich mit Raum und Zeit verglichen, und mit diesen unter der Benennung Reihenformen, zusammengefaſst werden mögen. Hiebey dürfen wir nur in den §. 100. zurückblicken.
Wie der Raum auf abgestuften Verschmelzungen beruht: (§. 110—114.) so erzeugen sich die Vorstellun- gen von ähnlichen Continuen allemal unter ähnlichen
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womit Kant sein Geschäfft betrieb, braucht kaum noch
erinnert zu werden. Wir wollen nachweisen, wie dieje-
nigen Begriffe entstehn, welche die Metaphysik weiter zu
bearbeiten hat; und in so fern muſs sie da fortfahren,
wo wir abbrechen. Wir werden also hier nicht lehren,
was man sich am Ende aller Nachforschung als Substanz
und Kraft zu denken habe; — der Verfasser dieses Buchs
war darüber längst vorher mit sich einig, ehe er es un-
ternahm, die Psychologie als besondern Theil der gan-
zen Metaphysik zu bearbeiten; — sondern wir werden
erklären, wie es möglich sey, daſs der menschliche Geist
sich so sonderbare Probleme vorlege, um derentwillen
ihm eine Metaphysik zum Bedürfniſs wird.
Der bessern Vorbereitung wegen wollen wir aber
eine andre Untersuchung voranschicken, von der es viel-
leicht nicht sogleich ins Auge fällt, wie sie mit der jetzt
angekündigten zusammenhänge; — nämlich die von der
Möglichkeit des eigentlichen, deutlichen Denkens. Da-
bey wird als bekannt vorausgesetzt, daſs die Deutlichkeit
auf der Zerlegung eines Gedankens in seine Theile, ei-
nes Begriffs in seine Merkmale beruhe, — auf dem
Auseinandersetzen, welcher Ausdruck hier so wört-
lich als möglich zu nehmen ist, denn es soll dabey auch
noch an die Schätzung, wohl gar Abmessung, des Gra-
des der Verschiedenheit unter je zwey mit einander ver-
glichenen Merkmalen gedacht werden; wie wenn die
Grade der Wärme und Kälte nach dem Thermometer,
die der Schwere nach dem Gewichte bestimmt werden.
Um hierüber Rechenschaft geben zu können, müssen
wir erst gewisser Vorstellungsarten erwähnen, die recht
füglich mit Raum und Zeit verglichen, und mit diesen
unter der Benennung Reihenformen, zusammengefaſst
werden mögen. Hiebey dürfen wir nur in den §. 100.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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