und in der Wahrheit,) nichts anderes wäre als Anthro- pologie, und als wenn z. B. die Aufmerksamkeit des Jagdhundes, die Fähigkeit des Pferdes, den rechten Weg zu finden, wenn der Reiter ihn verloren hat, lauter Dinge wären, die sich von selbst verstünden, oder die man wohl den Physiologen überlassen könne. Ich ersuche den Leser, bloss zur Probe den §. 128. in seinen Bezie- hungen auf die Mechanik des Geistes zu durchdenken; und dann nach diesem geringen Maassstabe, einmal die Grösse der Unwissenheit, wenn auch nur obenhin, zu schätzen, worin sich Diejenigen befinden, die über die Thiere so leicht hinwegkommen!
Diese Unwissenheit, die schon anfängt beym Begriffe der rohen Materie, und alsdann fortwächst durch alle Stufen bis zum Menschen hinauf, erzeugt das Vornehm- thun des Menschen; und zugleich die grosse Bewunde- rung, womit er sich selbst deshalb anstaunt, weil ihm zur Erklärung seines eignen Daseyns alle Vorbegriffe fehlen.
Insbesondere ist bey einigen Physiologen, wie es scheint, eine Neigung vorhanden, das, was sie ander- wärts verderben, hier wieder gut zu machen. In ihrer Einbildung ist das Gehirnleben ein geistiges Leben; da man ihnen nun wegen ihres Materialismus gerechte Vor- würfe macht, so suchen sie sich herauszuhelfen, indem sie das menschliche Gehirn als etwas ganz besonders Vortreffliches auszeichnen, obgleich jeder Unbefangene einsieht, dass eben hier, in der Gemeinschaft der Gehirne, deren Bau nur solche Unterschiede zeigt, die gegen die Aehnlichkeit beym Menschen und bey den höhern Thieren geringfügig sind, ganz offenbar Menschheit und Thierheit nahe zusammen gränzen; so dass man die Kluft, die sich zwischen beyden findet, an ganz andern Stellen auf der Leiter der organischen Wesen erwarten sollte.
Früherhin glaubte man, dass denjenigen Thieren, die zunächst auf den Menschen folgen, die Sprachwerk- zeuge fehlten; und hierin schien ein Hauptgrund des Unterschiedes zu liegen, da die Sprache der Anfang aller
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und in der Wahrheit,) nichts anderes wäre als Anthro- pologie, und als wenn z. B. die Aufmerksamkeit des Jagdhundes, die Fähigkeit des Pferdes, den rechten Weg zu finden, wenn der Reiter ihn verloren hat, lauter Dinge wären, die sich von selbst verstünden, oder die man wohl den Physiologen überlassen könne. Ich ersuche den Leser, bloſs zur Probe den §. 128. in seinen Bezie- hungen auf die Mechanik des Geistes zu durchdenken; und dann nach diesem geringen Maaſsstabe, einmal die Gröſse der Unwissenheit, wenn auch nur obenhin, zu schätzen, worin sich Diejenigen befinden, die über die Thiere so leicht hinwegkommen!
Diese Unwissenheit, die schon anfängt beym Begriffe der rohen Materie, und alsdann fortwächst durch alle Stufen bis zum Menschen hinauf, erzeugt das Vornehm- thun des Menschen; und zugleich die groſse Bewunde- rung, womit er sich selbst deshalb anstaunt, weil ihm zur Erklärung seines eignen Daseyns alle Vorbegriffe fehlen.
Insbesondere ist bey einigen Physiologen, wie es scheint, eine Neigung vorhanden, das, was sie ander- wärts verderben, hier wieder gut zu machen. In ihrer Einbildung ist das Gehirnleben ein geistiges Leben; da man ihnen nun wegen ihres Materialismus gerechte Vor- würfe macht, so suchen sie sich herauszuhelfen, indem sie das menschliche Gehirn als etwas ganz besonders Vortreffliches auszeichnen, obgleich jeder Unbefangene einsieht, daſs eben hier, in der Gemeinschaft der Gehirne, deren Bau nur solche Unterschiede zeigt, die gegen die Aehnlichkeit beym Menschen und bey den höhern Thieren geringfügig sind, ganz offenbar Menschheit und Thierheit nahe zusammen gränzen; so daſs man die Kluft, die sich zwischen beyden findet, an ganz andern Stellen auf der Leiter der organischen Wesen erwarten sollte.
Früherhin glaubte man, daſs denjenigen Thieren, die zunächst auf den Menschen folgen, die Sprachwerk- zeuge fehlten; und hierin schien ein Hauptgrund des Unterschiedes zu liegen, da die Sprache der Anfang aller
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und in der Wahrheit,) nichts anderes wäre als Anthro-
pologie, und als wenn z. B. die Aufmerksamkeit des
Jagdhundes, die Fähigkeit des Pferdes, den rechten Weg
zu finden, wenn der Reiter ihn verloren hat, lauter Dinge
wären, die sich von selbst verstünden, oder die man
wohl den Physiologen überlassen könne. Ich ersuche
den Leser, bloſs zur Probe den §. 128. in seinen Bezie-
hungen auf die Mechanik des Geistes zu durchdenken;
und dann nach diesem geringen Maaſsstabe, einmal die
Gröſse der Unwissenheit, wenn auch nur obenhin, zu
schätzen, worin sich Diejenigen befinden, die über die
Thiere so leicht hinwegkommen!
Diese Unwissenheit, die schon anfängt beym Begriffe
der rohen Materie, und alsdann fortwächst durch alle
Stufen bis zum Menschen hinauf, erzeugt das Vornehm-
thun des Menschen; und zugleich die groſse Bewunde-
rung, womit er sich selbst deshalb anstaunt, weil ihm zur
Erklärung seines eignen Daseyns alle Vorbegriffe fehlen.
Insbesondere ist bey einigen Physiologen, wie es
scheint, eine Neigung vorhanden, das, was sie ander-
wärts verderben, hier wieder gut zu machen. In ihrer
Einbildung ist das Gehirnleben ein geistiges Leben; da
man ihnen nun wegen ihres Materialismus gerechte Vor-
würfe macht, so suchen sie sich herauszuhelfen, indem
sie das menschliche Gehirn als etwas ganz besonders
Vortreffliches auszeichnen, obgleich jeder Unbefangene
einsieht, daſs eben hier, in der Gemeinschaft der Gehirne,
deren Bau nur solche Unterschiede zeigt, die gegen die
Aehnlichkeit beym Menschen und bey den höhern
Thieren geringfügig sind, ganz offenbar Menschheit und
Thierheit nahe zusammen gränzen; so daſs man die Kluft,
die sich zwischen beyden findet, an ganz andern Stellen
auf der Leiter der organischen Wesen erwarten sollte.
Früherhin glaubte man, daſs denjenigen Thieren, die
zunächst auf den Menschen folgen, die Sprachwerk-
zeuge fehlten; und hierin schien ein Hauptgrund des
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/275>, abgerufen am 23.11.2024.
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