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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Und die vierte Bemerkung: Eben darum darf man
nicht hoffen, sie vollständig zu besitzen, wenn die auffal-
lendsten derselben in einem kleinen Täfelchen symme-
trisch beysammen stehn. Die Constructionen, wozu die
Reihenformen veranlassen, sind unerschöpflich; und an
diesem Reichthum nehmen die Kategorien Theil. Auch
schreitet die Reflexion im weitern Ausbilden der einmal
gewonnenen Begriffe unmerklich und ohne Ende fort.
Das, was dem Versuch, die Kategorien vollständig zu
finden, voran gehn, oder ihn wenigstens begleiten müsste,
wäre eine allgemeine Grammatik; welche vollendet zu be-
sitzen wohl Niemand glauben wird. Aristoteles suchte
mit grossem Rechte die Kategorien in der Sprache.

Der eben genannte Denker ist wohl unstreitig der
erste, welcher überhaupt von Kategorien geredet hat.
Bey der Frage: was sind Kategorien? wird also zu-
erst und vorzüglich seine Auctorität in Betracht kommen;
besonders wenn die spätere Bearbeitung so voll von Feh-
lern ist, wie die Kantische.

Aristoteles nun deutet zuerst an, er wolle nicht
von Urtheilen reden, sondern von unverbundenen Begrif-
fen. Jeder von diesen aber zeige entweder ein Ding
an, oder ein Wieviel, oder u. s. w. Man sieht, Ari-
stoteles
suchte das Allgemeinste, wodurch sich
angeben lasse, was unser Vorgestelltes sey
. Er
suchte die Klassen der Begriffe. Von diesen han-
delt er nur vier eigentlich ab, nämlich Realität, Quan-
tität, Relation
, und Qualität. Andere werden bloss
genannt; unter ihnen das Wo und das Wann; woraus
sich zeigt, dass er zwar nicht die Reihenformen selbst,
wohl aber die Bestimmung der Gegenstände in Anse-
hung ihrer, mit zu den Kategorien rechnete.

Auch durch die Kantischen Kategorien sollen Ob-
jecte der Anschauungen
gedacht werden; so lautet

den Ursprung der Reihenform nicht, und schätzte deren Sphäre viel
zu klein.

Und die vierte Bemerkung: Eben darum darf man
nicht hoffen, sie vollständig zu besitzen, wenn die auffal-
lendsten derselben in einem kleinen Täfelchen symme-
trisch beysammen stehn. Die Constructionen, wozu die
Reihenformen veranlassen, sind unerschöpflich; und an
diesem Reichthum nehmen die Kategorien Theil. Auch
schreitet die Reflexion im weitern Ausbilden der einmal
gewonnenen Begriffe unmerklich und ohne Ende fort.
Das, was dem Versuch, die Kategorien vollständig zu
finden, voran gehn, oder ihn wenigstens begleiten müſste,
wäre eine allgemeine Grammatik; welche vollendet zu be-
sitzen wohl Niemand glauben wird. Aristoteles suchte
mit groſsem Rechte die Kategorien in der Sprache.

Der eben genannte Denker ist wohl unstreitig der
erste, welcher überhaupt von Kategorien geredet hat.
Bey der Frage: was sind Kategorien? wird also zu-
erst und vorzüglich seine Auctorität in Betracht kommen;
besonders wenn die spätere Bearbeitung so voll von Feh-
lern ist, wie die Kantische.

Aristoteles nun deutet zuerst an, er wolle nicht
von Urtheilen reden, sondern von unverbundenen Begrif-
fen. Jeder von diesen aber zeige entweder ein Ding
an, oder ein Wieviel, oder u. s. w. Man sieht, Ari-
stoteles
suchte das Allgemeinste, wodurch sich
angeben lasse, was unser Vorgestelltes sey
. Er
suchte die Klassen der Begriffe. Von diesen han-
delt er nur vier eigentlich ab, nämlich Realität, Quan-
tität, Relation
, und Qualität. Andere werden bloſs
genannt; unter ihnen das Wo und das Wann; woraus
sich zeigt, daſs er zwar nicht die Reihenformen selbst,
wohl aber die Bestimmung der Gegenstände in Anse-
hung ihrer, mit zu den Kategorien rechnete.

Auch durch die Kantischen Kategorien sollen Ob-
jecte der Anschauungen
gedacht werden; so lautet

den Ursprung der Reihenform nicht, und schätzte deren Sphäre viel
zu klein.
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[194/0229] Und die vierte Bemerkung: Eben darum darf man nicht hoffen, sie vollständig zu besitzen, wenn die auffal- lendsten derselben in einem kleinen Täfelchen symme- trisch beysammen stehn. Die Constructionen, wozu die Reihenformen veranlassen, sind unerschöpflich; und an diesem Reichthum nehmen die Kategorien Theil. Auch schreitet die Reflexion im weitern Ausbilden der einmal gewonnenen Begriffe unmerklich und ohne Ende fort. Das, was dem Versuch, die Kategorien vollständig zu finden, voran gehn, oder ihn wenigstens begleiten müſste, wäre eine allgemeine Grammatik; welche vollendet zu be- sitzen wohl Niemand glauben wird. Aristoteles suchte mit groſsem Rechte die Kategorien in der Sprache. Der eben genannte Denker ist wohl unstreitig der erste, welcher überhaupt von Kategorien geredet hat. Bey der Frage: was sind Kategorien? wird also zu- erst und vorzüglich seine Auctorität in Betracht kommen; besonders wenn die spätere Bearbeitung so voll von Feh- lern ist, wie die Kantische. Aristoteles nun deutet zuerst an, er wolle nicht von Urtheilen reden, sondern von unverbundenen Begrif- fen. Jeder von diesen aber zeige entweder ein Ding an, oder ein Wieviel, oder u. s. w. Man sieht, Ari- stoteles suchte das Allgemeinste, wodurch sich angeben lasse, was unser Vorgestelltes sey. Er suchte die Klassen der Begriffe. Von diesen han- delt er nur vier eigentlich ab, nämlich Realität, Quan- tität, Relation, und Qualität. Andere werden bloſs genannt; unter ihnen das Wo und das Wann; woraus sich zeigt, daſs er zwar nicht die Reihenformen selbst, wohl aber die Bestimmung der Gegenstände in Anse- hung ihrer, mit zu den Kategorien rechnete. Auch durch die Kantischen Kategorien sollen Ob- jecte der Anschauungen gedacht werden; so lautet *) *) den Ursprung der Reihenform nicht, und schätzte deren Sphäre viel zu klein.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/229>, abgerufen am 25.11.2024.