als der Punct noch derselbe ist; weil auch alles Uebrige gleich ist. Zieht man nun gerade Linien in die zweymal erhaltene Richtung hinaus: so muss auch diese Handlung des Ziehens als eine und dieselbe angesehen werden, und beyde Linien müssen stets gleich lang seyn. Sie können sich nie schneiden, ja, ohne besondere Anlässe kann nicht der Gedanke ihres Schneidens entstehn, weil im Durchschnittspuncte verschiedene Richtungen zusam- menstossen mussten; es soll aber keine Krümmung, also auch keine Drehung vorgefallen seyn. Der Eine, unge- theilte Actus des Ziehens beyder zugleich, führt die an- fängliche Linie, welche ihre Entfernung zuerst bestimmte, (gleichviel ob unmittelbar oder vermittelst eines davon ab- hängenden Perpendikels) stets mit sich fort, so dass von ihr die Fläche eines wachsenden Parallelogramms beschrie- ben wird. Dabey kann nie eine Drehung vorfallen. Denn jede der beyden Linien zieht immer nur einerley Stelle hinter sich her, deren Winkel gegen die anfäng- liche gerade, ein für allemal bestimmt ist. Geschähe aber das Ziehen ungleichmässig: dann freylich würde die Linie zwischen den jedesmaligen Endpuncten sich, indem sie die Fläche beschreibt, zugleich drehen; und dies müsste sich verrathen, indem man diejenigen Endpuncte zusam- menfasste, die durch den gleichmässigen Zug hätten ent- stehen sollen.
Ohne Zweifel wird man diesen Gedanken ein mehr geometrisches Kleid geben können; allein darauf kommt es mir nicht an. Auch muss der Gegenstand in der Me- taphysik noch etwas anders behandelt werden wie hier. Doch in der Erklärung der Parallelen kommen beyde Untersuchungen überein; es sind vervielfältigte Dar- stellungen Einer Richtung. Darauf gründet sich das Nicht-Schneiden und der gleiche Abstand ganz unmittel- bar; die Unmöglichkeit des Schneidens ist die Identität der Richtung; und der Abstand (oder statt seiner die dritte durchschneidende Linie, welche das Parallelogramm schliessen hilft) hält die Darstellungen dieser Richtung als
als der Punct noch derselbe ist; weil auch alles Uebrige gleich ist. Zieht man nun gerade Linien in die zweymal erhaltene Richtung hinaus: so muſs auch diese Handlung des Ziehens als eine und dieselbe angesehen werden, und beyde Linien müssen stets gleich lang seyn. Sie können sich nie schneiden, ja, ohne besondere Anlässe kann nicht der Gedanke ihres Schneidens entstehn, weil im Durchschnittspuncte verschiedene Richtungen zusam- menstoſsen muſsten; es soll aber keine Krümmung, also auch keine Drehung vorgefallen seyn. Der Eine, unge- theilte Actus des Ziehens beyder zugleich, führt die an- fängliche Linie, welche ihre Entfernung zuerst bestimmte, (gleichviel ob unmittelbar oder vermittelst eines davon ab- hängenden Perpendikels) stets mit sich fort, so daſs von ihr die Fläche eines wachsenden Parallelogramms beschrie- ben wird. Dabey kann nie eine Drehung vorfallen. Denn jede der beyden Linien zieht immer nur einerley Stelle hinter sich her, deren Winkel gegen die anfäng- liche gerade, ein für allemal bestimmt ist. Geschähe aber das Ziehen ungleichmäſsig: dann freylich würde die Linie zwischen den jedesmaligen Endpuncten sich, indem sie die Fläche beschreibt, zugleich drehen; und dies müſste sich verrathen, indem man diejenigen Endpuncte zusam- menfaſste, die durch den gleichmäſsigen Zug hätten ent- stehen sollen.
Ohne Zweifel wird man diesen Gedanken ein mehr geometrisches Kleid geben können; allein darauf kommt es mir nicht an. Auch muſs der Gegenstand in der Me- taphysik noch etwas anders behandelt werden wie hier. Doch in der Erklärung der Parallelen kommen beyde Untersuchungen überein; es sind vervielfältigte Dar- stellungen Einer Richtung. Darauf gründet sich das Nicht-Schneiden und der gleiche Abstand ganz unmittel- bar; die Unmöglichkeit des Schneidens ist die Identität der Richtung; und der Abstand (oder statt seiner die dritte durchschneidende Linie, welche das Parallelogramm schlieſsen hilft) hält die Darstellungen dieser Richtung als
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als der Punct noch derselbe ist; weil auch alles Uebrige
gleich ist. Zieht man nun gerade Linien in die zweymal
erhaltene Richtung hinaus: so muſs auch diese Handlung
des Ziehens als eine und dieselbe angesehen werden,
und beyde Linien müssen stets gleich lang seyn. Sie
können sich nie schneiden, ja, ohne besondere Anlässe
kann nicht der Gedanke ihres Schneidens entstehn, weil
im Durchschnittspuncte verschiedene Richtungen zusam-
menstoſsen muſsten; es soll aber keine Krümmung, also
auch keine Drehung vorgefallen seyn. Der Eine, unge-
theilte Actus des Ziehens beyder zugleich, führt die an-
fängliche Linie, welche ihre Entfernung zuerst bestimmte,
(gleichviel ob unmittelbar oder vermittelst eines davon ab-
hängenden Perpendikels) stets mit sich fort, so daſs von
ihr die Fläche eines wachsenden Parallelogramms beschrie-
ben wird. Dabey kann nie eine Drehung vorfallen.
Denn jede der beyden Linien zieht immer nur einerley
Stelle hinter sich her, deren Winkel gegen die anfäng-
liche gerade, ein für allemal bestimmt ist. Geschähe
aber das Ziehen ungleichmäſsig: dann freylich würde die
Linie zwischen den jedesmaligen Endpuncten sich, indem
sie die Fläche beschreibt, zugleich drehen; und dies müſste
sich verrathen, indem man diejenigen Endpuncte zusam-
menfaſste, die durch den gleichmäſsigen Zug hätten ent-
stehen sollen.
Ohne Zweifel wird man diesen Gedanken ein mehr
geometrisches Kleid geben können; allein darauf kommt
es mir nicht an. Auch muſs der Gegenstand in der Me-
taphysik noch etwas anders behandelt werden wie hier.
Doch in der Erklärung der Parallelen kommen beyde
Untersuchungen überein; es sind vervielfältigte Dar-
stellungen Einer Richtung. Darauf gründet sich das
Nicht-Schneiden und der gleiche Abstand ganz unmittel-
bar; die Unmöglichkeit des Schneidens ist die Identität
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dritte durchschneidende Linie, welche das Parallelogramm
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/186>, abgerufen am 21.11.2024.
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