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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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gebracht zu werden. Angenommen, es komme noch
eine dritte, dem y und dem c gleichartige Vorstellung
hinzu, oder wie wir im gemeinen Leben sagen würden,
es werde die nämliche Wahrnehmung mehrmals, kurz
hinter einander wiederhohlt (kurz hinter einander, da-
mit nicht anstatt a und b andre widerstrebende Vorstel-
lungen eintreten): so giebt die dritte Vorstellung eine
neue Verschmelzungshülfe für y, die, nun wenigstens, leicht
hinreichen kann, um dem H wieder eine Stelle im Be-
wusstseyn zu versichern.

Auf diese Weise werden häufig schwächere
Vorstellungen ergänzt, ältere angefrischt
. Nur
gar zu schwach dürfen sie nicht seyn. Wenn H so klein
ist, dass es von ms bald übertroffen wird (man sehe §. 82.),
alsdann vermindern sich in dem Ausdrucke [Formel 1] , y und
H zugleich; und die ganz schwache Vorstellung erhält
auch nur eine unbedeutende Hülfe. Während daher sol-
che Vorstellungen, die ursprünglich eine gewisse Stärke
besassen, immer fortleben, weil sie immer neue Nahrung
durch jede Wiedererweckung bekommen: verschwinden
andre, die nicht so viel Kraft haben, um sich die Nah-
rung zuzueignen; sie verschwinden, obgleich sie nicht aus-
getilgt werden; das heisst, sie dauern fort als Strebungen
im Grunde der Seele, von denen aber im Bewusstseyn
keine Wirkung erscheint.

Merkwürdig ist, dass die wiederhohlten Wahrneh-
mungen eines und desselben Objects keinesweges zu ei-
ner einzigen Vorstellung von dem Einen Objecte zusam-
menfliessen. Wir haben nicht, wie man im gemeinen
Leben wohl glaubt, von jedem Dinge nur Eine Vorstel-
lung, sondern der Vorstellungen bleiben so viele, als der
Wahrnehmungen. Denn nur ihrem kleineren Theile
nach verschmelzen die frühern Wahrnehmungen mit den
späteren; und nur das Verschmolzene kann für
eine einzige, aus den mehrern Wahrnehmungen
entsprungene Vorstellung
gehalten werden. --

gebracht zu werden. Angenommen, es komme noch
eine dritte, dem y und dem c gleichartige Vorstellung
hinzu, oder wie wir im gemeinen Leben sagen würden,
es werde die nämliche Wahrnehmung mehrmals, kurz
hinter einander wiederhohlt (kurz hinter einander, da-
mit nicht anstatt a und b andre widerstrebende Vorstel-
lungen eintreten): so giebt die dritte Vorstellung eine
neue Verschmelzungshülfe für y, die, nun wenigstens, leicht
hinreichen kann, um dem H wieder eine Stelle im Be-
wuſstseyn zu versichern.

Auf diese Weise werden häufig schwächere
Vorstellungen ergänzt, ältere angefrischt
. Nur
gar zu schwach dürfen sie nicht seyn. Wenn H so klein
ist, daſs es von bald übertroffen wird (man sehe §. 82.),
alsdann vermindern sich in dem Ausdrucke [Formel 1] , y und
H zugleich; und die ganz schwache Vorstellung erhält
auch nur eine unbedeutende Hülfe. Während daher sol-
che Vorstellungen, die ursprünglich eine gewisse Stärke
besaſsen, immer fortleben, weil sie immer neue Nahrung
durch jede Wiedererweckung bekommen: verschwinden
andre, die nicht so viel Kraft haben, um sich die Nah-
rung zuzueignen; sie verschwinden, obgleich sie nicht aus-
getilgt werden; das heiſst, sie dauern fort als Strebungen
im Grunde der Seele, von denen aber im Bewuſstseyn
keine Wirkung erscheint.

Merkwürdig ist, daſs die wiederhohlten Wahrneh-
mungen eines und desselben Objects keinesweges zu ei-
ner einzigen Vorstellung von dem Einen Objecte zusam-
menflieſsen. Wir haben nicht, wie man im gemeinen
Leben wohl glaubt, von jedem Dinge nur Eine Vorstel-
lung, sondern der Vorstellungen bleiben so viele, als der
Wahrnehmungen. Denn nur ihrem kleineren Theile
nach verschmelzen die frühern Wahrnehmungen mit den
späteren; und nur das Verschmolzene kann für
eine einzige, aus den mehrern Wahrnehmungen
entsprungene Vorstellung
gehalten werden. —

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[286/0306] gebracht zu werden. Angenommen, es komme noch eine dritte, dem y und dem c gleichartige Vorstellung hinzu, oder wie wir im gemeinen Leben sagen würden, es werde die nämliche Wahrnehmung mehrmals, kurz hinter einander wiederhohlt (kurz hinter einander, da- mit nicht anstatt a und b andre widerstrebende Vorstel- lungen eintreten): so giebt die dritte Vorstellung eine neue Verschmelzungshülfe für y, die, nun wenigstens, leicht hinreichen kann, um dem H wieder eine Stelle im Be- wuſstseyn zu versichern. Auf diese Weise werden häufig schwächere Vorstellungen ergänzt, ältere angefrischt. Nur gar zu schwach dürfen sie nicht seyn. Wenn H so klein ist, daſs es von mσ bald übertroffen wird (man sehe §. 82.), alsdann vermindern sich in dem Ausdrucke [FORMEL], y und H zugleich; und die ganz schwache Vorstellung erhält auch nur eine unbedeutende Hülfe. Während daher sol- che Vorstellungen, die ursprünglich eine gewisse Stärke besaſsen, immer fortleben, weil sie immer neue Nahrung durch jede Wiedererweckung bekommen: verschwinden andre, die nicht so viel Kraft haben, um sich die Nah- rung zuzueignen; sie verschwinden, obgleich sie nicht aus- getilgt werden; das heiſst, sie dauern fort als Strebungen im Grunde der Seele, von denen aber im Bewuſstseyn keine Wirkung erscheint. Merkwürdig ist, daſs die wiederhohlten Wahrneh- mungen eines und desselben Objects keinesweges zu ei- ner einzigen Vorstellung von dem Einen Objecte zusam- menflieſsen. Wir haben nicht, wie man im gemeinen Leben wohl glaubt, von jedem Dinge nur Eine Vorstel- lung, sondern der Vorstellungen bleiben so viele, als der Wahrnehmungen. Denn nur ihrem kleineren Theile nach verschmelzen die frühern Wahrnehmungen mit den späteren; und nur das Verschmolzene kann für eine einzige, aus den mehrern Wahrnehmungen entsprungene Vorstellung gehalten werden. —

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/306>, abgerufen am 22.11.2024.