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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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schwer. Die Verkehrtheit lässt sich fühlbar machen durch
eine neue Frage: Ist denn das Weisse, flüssig und
schwer? Oder ist das Flüssige, weiss und schwer? Oder
ist das Schwere, weiss und flüssig? -- Will man nun
die erste falsche Antwort verbessern, so wird man das
Quecksilber als den Stoff bezeichnen, welcher die meh-
rern Eigenschaften hat, und in sich vereinigt. Könnte
man nur dieses Haben, dieses In-sich-vereinigen,
deutlich machen! Unglücklicherweise ist das Haben ei-
nes Mannigfaltigen selbst mannigfaltig, und es will schei-
nen, als müsste dies vielfältige Haben, um die Qualität
des Einen Seyenden nur berühren zu können, erst wie-
derum gehabt werden, durch ein neues, -- ohne allen
Zweifel wiederum vielfältiges Haben! Bey dem In-sich-
vereinigen sagt es nun gar der Klang des Wortes, dass
man eben ein Wort eingeschoben, wo der Sinn man-
gelte. Denn gerade von der Einigung des Mannigfalti-
gen war die Frage, indem bey den bekannten sinnlichen
Kennzeichen des Quecksilbers dennoch von dem Was
desselben als von einem unbekannten geredet wurde.
Nun beruhigen sich die Meisten dabey, dass sie nicht
wissen
, wie das Eine zu mehrern Eigenschaften komme?
Und freylich wissen sie es nicht. Denn setzen wir irgend
ein A als die Qualität des Seyenden, so ist dies Eine
und sich selbst gleiche weit entfernt, eine Mehrheit zu
ergeben. Haben wir aber in A gleich Anfangs eine Man-
nigfaltigkeit einzuschliessen uns erlaubt: so dürfen wir
nun schon gar nicht wagen, uns die Frage vorzulegen,
was eigentlich sey? Denn die Antwort enthält sogleich
das Geständniss, dass wir Mehrern das Seyn beygelegt,
und dennoch für diese Mehrern eine Einheit, -- wir wis-
sen nicht Welche? angenommen haben.

Der Widerspruch ist nun hoffentlich klar genug.
Man nimmt an, das Seyende sey Eins; und auf die Frage:
Was für eins? antwortet man durch eine Mehrheit von
Bestimmungen. Mehrerley nun ist nicht Einerley. Und
es ist völlig vergeblich, eine unbekannte Qualität anzu-

schwer. Die Verkehrtheit läſst sich fühlbar machen durch
eine neue Frage: Ist denn das Weiſse, flüssig und
schwer? Oder ist das Flüssige, weiſs und schwer? Oder
ist das Schwere, weiſs und flüssig? — Will man nun
die erste falsche Antwort verbessern, so wird man das
Quecksilber als den Stoff bezeichnen, welcher die meh-
rern Eigenschaften hat, und in sich vereinigt. Könnte
man nur dieses Haben, dieses In-sich-vereinigen,
deutlich machen! Unglücklicherweise ist das Haben ei-
nes Mannigfaltigen selbst mannigfaltig, und es will schei-
nen, als müſste dies vielfältige Haben, um die Qualität
des Einen Seyenden nur berühren zu können, erst wie-
derum gehabt werden, durch ein neues, — ohne allen
Zweifel wiederum vielfältiges Haben! Bey dem In-sich-
vereinigen sagt es nun gar der Klang des Wortes, daſs
man eben ein Wort eingeschoben, wo der Sinn man-
gelte. Denn gerade von der Einigung des Mannigfalti-
gen war die Frage, indem bey den bekannten sinnlichen
Kennzeichen des Quecksilbers dennoch von dem Was
desselben als von einem unbekannten geredet wurde.
Nun beruhigen sich die Meisten dabey, daſs sie nicht
wissen
, wie das Eine zu mehrern Eigenschaften komme?
Und freylich wissen sie es nicht. Denn setzen wir irgend
ein A als die Qualität des Seyenden, so ist dies Eine
und sich selbst gleiche weit entfernt, eine Mehrheit zu
ergeben. Haben wir aber in A gleich Anfangs eine Man-
nigfaltigkeit einzuschlieſsen uns erlaubt: so dürfen wir
nun schon gar nicht wagen, uns die Frage vorzulegen,
was eigentlich sey? Denn die Antwort enthält sogleich
das Geständniſs, daſs wir Mehrern das Seyn beygelegt,
und dennoch für diese Mehrern eine Einheit, — wir wis-
sen nicht Welche? angenommen haben.

Der Widerspruch ist nun hoffentlich klar genug.
Man nimmt an, das Seyende sey Eins; und auf die Frage:
Was für eins? antwortet man durch eine Mehrheit von
Bestimmungen. Mehrerley nun ist nicht Einerley. Und
es ist völlig vergeblich, eine unbekannte Qualität anzu-

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[123/0143] schwer. Die Verkehrtheit läſst sich fühlbar machen durch eine neue Frage: Ist denn das Weiſse, flüssig und schwer? Oder ist das Flüssige, weiſs und schwer? Oder ist das Schwere, weiſs und flüssig? — Will man nun die erste falsche Antwort verbessern, so wird man das Quecksilber als den Stoff bezeichnen, welcher die meh- rern Eigenschaften hat, und in sich vereinigt. Könnte man nur dieses Haben, dieses In-sich-vereinigen, deutlich machen! Unglücklicherweise ist das Haben ei- nes Mannigfaltigen selbst mannigfaltig, und es will schei- nen, als müſste dies vielfältige Haben, um die Qualität des Einen Seyenden nur berühren zu können, erst wie- derum gehabt werden, durch ein neues, — ohne allen Zweifel wiederum vielfältiges Haben! Bey dem In-sich- vereinigen sagt es nun gar der Klang des Wortes, daſs man eben ein Wort eingeschoben, wo der Sinn man- gelte. Denn gerade von der Einigung des Mannigfalti- gen war die Frage, indem bey den bekannten sinnlichen Kennzeichen des Quecksilbers dennoch von dem Was desselben als von einem unbekannten geredet wurde. Nun beruhigen sich die Meisten dabey, daſs sie nicht wissen, wie das Eine zu mehrern Eigenschaften komme? Und freylich wissen sie es nicht. Denn setzen wir irgend ein A als die Qualität des Seyenden, so ist dies Eine und sich selbst gleiche weit entfernt, eine Mehrheit zu ergeben. Haben wir aber in A gleich Anfangs eine Man- nigfaltigkeit einzuschlieſsen uns erlaubt: so dürfen wir nun schon gar nicht wagen, uns die Frage vorzulegen, was eigentlich sey? Denn die Antwort enthält sogleich das Geständniſs, daſs wir Mehrern das Seyn beygelegt, und dennoch für diese Mehrern eine Einheit, — wir wis- sen nicht Welche? angenommen haben. Der Widerspruch ist nun hoffentlich klar genug. Man nimmt an, das Seyende sey Eins; und auf die Frage: Was für eins? antwortet man durch eine Mehrheit von Bestimmungen. Mehrerley nun ist nicht Einerley. Und es ist völlig vergeblich, eine unbekannte Qualität anzu-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/143>, abgerufen am 28.04.2024.