wusstseyn, zwar in seltenen Fällen von einigen wenigen Wiederhohlungen der Reflexion, die das Wissen selbst zum Gegenstande einer neuen Betrachtung macht, aber es weiss nichts von der Nothwendigkeit solcher Wieder- hohlung, um von uns selbst zu reden; viel weniger kennt es eine unendliche Fortsetzung der Reihe. Noch mehr; die wiederhohlte Rückkehr zu uns selbst, wobey wir im- mer wiederum Gegenstand des Bewusstseyns werden, ver- braucht Zeit; aber der Begriff des Ich lässt uns gar keine Zeit; ihm gemäss muss das Ich, falls es überhaupt ge- dacht wird, alles dies Denken des Denkens vollständig in sich schliessen; sonst ist es kein Ich, denn es fehlt ihm an irgend einer Stelle das Wissen um sich selbst. Wir sehn also, wie das Ich nach dieser Betrachtungsart, wenn es auch sein Object wirklich gefunden hätte, den- noch für sich selbst eine unendliche, und eben deshalb eine niemals vollbrachte und nimmer zu vollbringende Aufgabe seyn würde. --
Hat nun schon die doppelte Unendlichkeit, in wel- che das Ich sich hinausstreckt, deutlich genug gezeigt, dass durch diesen Begriff, so wie er gefasst ist, wirklich nichts begriffen wird: so treibt vollends die Forderung der Identität aller Glieder der unendlichen Reihen, die Ungereimtheit aufs höchste. Zwar hier möchte Jemand sich die Sache leicht machen wollen. Es ist ja so schwer nicht, sich ein Ding zu denken, das mit dem Wissen von sich selbst begabt sey! Auf die Weise lassen die Dichter etwan einen Baum von Sich sprechen. Dieser, seiner selbst bewusste Baum, was ist er denn eigentlich? Erstlich ein Baum, und dann zweytens die Vorstellung eines solchen Baums; auch, wenns hoch kommt, noch eine Vorstellung von der Vorstellung des Baums. Aber der Baum ist nicht die Vorstellung von dem Baume, und, rückwärts, die Vorstellung eines solchen Baumes ist nicht der Baum! Gleichwohl soll die erwähnte Vor- stellung, wenn sie sich ausspricht, von dem Baume re- den als von Sich selbst. Die zwey völlig verschiede-
nen,
wuſstseyn, zwar in seltenen Fällen von einigen wenigen Wiederhohlungen der Reflexion, die das Wissen selbst zum Gegenstande einer neuen Betrachtung macht, aber es weiſs nichts von der Nothwendigkeit solcher Wieder- hohlung, um von uns selbst zu reden; viel weniger kennt es eine unendliche Fortsetzung der Reihe. Noch mehr; die wiederhohlte Rückkehr zu uns selbst, wobey wir im- mer wiederum Gegenstand des Bewuſstseyns werden, ver- braucht Zeit; aber der Begriff des Ich läſst uns gar keine Zeit; ihm gemäſs muſs das Ich, falls es überhaupt ge- dacht wird, alles dies Denken des Denkens vollständig in sich schlieſsen; sonst ist es kein Ich, denn es fehlt ihm an irgend einer Stelle das Wissen um sich selbst. Wir sehn also, wie das Ich nach dieser Betrachtungsart, wenn es auch sein Object wirklich gefunden hätte, den- noch für sich selbst eine unendliche, und eben deshalb eine niemals vollbrachte und nimmer zu vollbringende Aufgabe seyn würde. —
Hat nun schon die doppelte Unendlichkeit, in wel- che das Ich sich hinausstreckt, deutlich genug gezeigt, daſs durch diesen Begriff, so wie er gefaſst ist, wirklich nichts begriffen wird: so treibt vollends die Forderung der Identität aller Glieder der unendlichen Reihen, die Ungereimtheit aufs höchste. Zwar hier möchte Jemand sich die Sache leicht machen wollen. Es ist ja so schwer nicht, sich ein Ding zu denken, das mit dem Wissen von sich selbst begabt sey! Auf die Weise lassen die Dichter etwan einen Baum von Sich sprechen. Dieser, seiner selbst bewuſste Baum, was ist er denn eigentlich? Erstlich ein Baum, und dann zweytens die Vorstellung eines solchen Baums; auch, wenns hoch kommt, noch eine Vorstellung von der Vorstellung des Baums. Aber der Baum ist nicht die Vorstellung von dem Baume, und, rückwärts, die Vorstellung eines solchen Baumes ist nicht der Baum! Gleichwohl soll die erwähnte Vor- stellung, wenn sie sich ausspricht, von dem Baume re- den als von Sich selbst. Die zwey völlig verschiede-
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wuſstseyn, zwar in seltenen Fällen von einigen wenigen
Wiederhohlungen der Reflexion, die das Wissen selbst
zum Gegenstande einer neuen Betrachtung macht, aber
es weiſs nichts von der Nothwendigkeit solcher Wieder-
hohlung, um von uns selbst zu reden; viel weniger kennt
es eine unendliche Fortsetzung der Reihe. Noch mehr;
die wiederhohlte Rückkehr zu uns selbst, wobey wir im-
mer wiederum Gegenstand des Bewuſstseyns werden, ver-
braucht Zeit; aber der Begriff des Ich läſst uns gar keine
Zeit; ihm gemäſs muſs das Ich, falls es überhaupt ge-
dacht wird, alles dies Denken des Denkens vollständig
in sich schlieſsen; sonst ist es kein Ich, denn es fehlt
ihm an irgend einer Stelle das Wissen um sich selbst.
Wir sehn also, wie das Ich nach dieser Betrachtungsart,
wenn es auch sein Object wirklich gefunden hätte, den-
noch für sich selbst eine unendliche, und eben deshalb
eine niemals vollbrachte und nimmer zu vollbringende
Aufgabe seyn würde. —
Hat nun schon die doppelte Unendlichkeit, in wel-
che das Ich sich hinausstreckt, deutlich genug gezeigt,
daſs durch diesen Begriff, so wie er gefaſst ist, wirklich
nichts begriffen wird: so treibt vollends die Forderung
der Identität aller Glieder der unendlichen Reihen, die
Ungereimtheit aufs höchste. Zwar hier möchte Jemand
sich die Sache leicht machen wollen. Es ist ja so schwer
nicht, sich ein Ding zu denken, das mit dem Wissen
von sich selbst begabt sey! Auf die Weise lassen die
Dichter etwan einen Baum von Sich sprechen. Dieser,
seiner selbst bewuſste Baum, was ist er denn eigentlich?
Erstlich ein Baum, und dann zweytens die Vorstellung
eines solchen Baums; auch, wenns hoch kommt, noch
eine Vorstellung von der Vorstellung des Baums. Aber
der Baum ist nicht die Vorstellung von dem Baume,
und, rückwärts, die Vorstellung eines solchen Baumes
ist nicht der Baum! Gleichwohl soll die erwähnte Vor-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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