Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842.Es giebt zwar Leute, welche glauben, Aber wie viel Bedauerliches auch in die- Es giebt zwar Leute, welche glauben, Aber wie viel Bedauerliches auch in die- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0035" n="31"/> <p> <hi rendition="#aq">Es giebt zwar Leute, welche glauben,<lb/> man könne einen Staat aus einer Verfassung<lb/> erzeugen. Ist aber die Verfassung <hi rendition="#g">wesent-<lb/> lich</hi> etwas Anderes als der wahre Ausdruck<lb/> dessen, was aus der Zusammenwirkung der<lb/> Kräfte im Staate entsteht, so erzeugen sich<lb/> diese Kräfte eine andere Verfassung; beson-<lb/> ders pflegen die Formen, wenn die Personen<lb/> wechseln, falls sie diesen nicht bequem sind,<lb/> eine Gegenwirkung zu erfahren. In solchen<lb/> Fällen soll man doch wohl das <hi rendition="#i">nil admirari</hi><lb/> bey den Historikern voraussetzen. Von ihnen<lb/> könnte man denn auch vorzugsweise den Trost<lb/> erwarten, dass nach einiger Zeit jede politische<lb/> Bewegung eine Neigung zur Ruhe im Gleich-<lb/> gewichte zu zeigen pflegt; und dass, wenn<lb/> die näheren Bestimmungen des Gleichgewichts<lb/> deutlich hervor treten, dann auch das Wort zur<lb/> Sache, die Verfassung zu den Verhältnissen,<lb/> sich ohne grosse Schwierigkeit finden lässt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#aq">Aber wie viel Bedauerliches auch in die-<lb/> sem Theile des menschlichen Looses liegen<lb/> mag: keinenfalls hat man Ursache, von der<lb/> Höhe der Verfassungen, — die ihrer Natur nach<lb/> nicht die festesten Punkte des menschlichen<lb/> Daseyns abgeben, — auf die Universitäten<lb/> stolz herabzuschauen, als dürften <hi rendition="#g">sie</hi> wohl,<lb/></hi> </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0035]
Es giebt zwar Leute, welche glauben,
man könne einen Staat aus einer Verfassung
erzeugen. Ist aber die Verfassung wesent-
lich etwas Anderes als der wahre Ausdruck
dessen, was aus der Zusammenwirkung der
Kräfte im Staate entsteht, so erzeugen sich
diese Kräfte eine andere Verfassung; beson-
ders pflegen die Formen, wenn die Personen
wechseln, falls sie diesen nicht bequem sind,
eine Gegenwirkung zu erfahren. In solchen
Fällen soll man doch wohl das nil admirari
bey den Historikern voraussetzen. Von ihnen
könnte man denn auch vorzugsweise den Trost
erwarten, dass nach einiger Zeit jede politische
Bewegung eine Neigung zur Ruhe im Gleich-
gewichte zu zeigen pflegt; und dass, wenn
die näheren Bestimmungen des Gleichgewichts
deutlich hervor treten, dann auch das Wort zur
Sache, die Verfassung zu den Verhältnissen,
sich ohne grosse Schwierigkeit finden lässt.
Aber wie viel Bedauerliches auch in die-
sem Theile des menschlichen Looses liegen
mag: keinenfalls hat man Ursache, von der
Höhe der Verfassungen, — die ihrer Natur nach
nicht die festesten Punkte des menschlichen
Daseyns abgeben, — auf die Universitäten
stolz herabzuschauen, als dürften sie wohl,
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