Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedankensprünge zu warnen. Allein zu eini-
ger Entschuldigung, wenn etwa wirklich ein
solcher Sprung nicht ganz vermieden wäre,
habe ich schon vorhin das Recht der Univer-
sität angeführt, einen Deputirten zur Stände-
Versammlung zu senden. Nun ist freilich die
Wahl eines Deputirten noch immer weit ver-
schieden vom Stimmrecht; denn der Deputirte
soll nach eigner Ueberzeugung seine Stimme
abgeben, die vielleicht nicht genau die Stimme
der Pluralität unter denen ist, welche ihn ge-
wählt haben. Und wiederum giebt es noch
eine Distanz zwischen der Pluralität und ir-
gend welchen einzelnen Gliedern der wählen-
den Corporation. Allein man sieht doch unge-
fähr, wie ein solches einzelnes Mitglied dazu
kommen kann, Schritte zu thun, deren Würdi-
gung einen ganz andern Standpunkt voraussez-
zen soll, als den, worauf das Individuum wirk-
lich steht.

Wo ist denn dieser andre Standpunkt zu
suchen? Er liegt vermuthlich höher, als der,
worauf man die Nachtheile der Universität zu
verhüten sich verpflichtet finden würde; denn
er soll ja dem Tadel, über den Beruf des
Professors hinauszugehen, nicht zugänglich
seyn. Man stelle sich also auf die Höhe ei-

Gedankensprünge zu warnen. Allein zu eini-
ger Entschuldigung, wenn etwa wirklich ein
solcher Sprung nicht ganz vermieden wäre,
habe ich schon vorhin das Recht der Univer-
sität angeführt, einen Deputirten zur Stände-
Versammlung zu senden. Nun ist freilich die
Wahl eines Deputirten noch immer weit ver-
schieden vom Stimmrecht; denn der Deputirte
soll nach eigner Ueberzeugung seine Stimme
abgeben, die vielleicht nicht genau die Stimme
der Pluralität unter denen ist, welche ihn ge-
wählt haben. Und wiederum giebt es noch
eine Distanz zwischen der Pluralität und ir-
gend welchen einzelnen Gliedern der wählen-
den Corporation. Allein man sieht doch unge-
fähr, wie ein solches einzelnes Mitglied dazu
kommen kann, Schritte zu thun, deren Würdi-
gung einen ganz andern Standpunkt voraussez-
zen soll, als den, worauf das Individuum wirk-
lich steht.

Wo ist denn dieser andre Standpunkt zu
suchen? Er liegt vermuthlich höher, als der,
worauf man die Nachtheile der Universität zu
verhüten sich verpflichtet finden würde; denn
er soll ja dem Tadel, über den Beruf des
Professors hinauszugehen, nicht zugänglich
seyn. Man stelle sich also auf die Höhe ei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p> <hi rendition="#aq"><pb facs="#f0033" n="29"/>
Gedankensprünge zu warnen. Allein zu eini-<lb/>
ger Entschuldigung, wenn etwa wirklich ein<lb/>
solcher Sprung nicht ganz vermieden wäre,<lb/>
habe ich schon vorhin das Recht der Univer-<lb/>
sität angeführt, einen Deputirten zur Stände-<lb/>
Versammlung zu senden. Nun ist freilich die<lb/>
Wahl eines Deputirten noch immer weit ver-<lb/>
schieden vom Stimmrecht; denn der Deputirte<lb/>
soll nach eigner Ueberzeugung <hi rendition="#g">seine</hi> Stimme<lb/>
abgeben, die vielleicht nicht genau die Stimme<lb/>
der Pluralität unter denen ist, welche ihn ge-<lb/>
wählt haben. Und wiederum giebt es noch<lb/>
eine Distanz zwischen der Pluralität und ir-<lb/>
gend welchen einzelnen Gliedern der wählen-<lb/>
den Corporation. Allein man sieht doch unge-<lb/>
fähr, wie ein solches einzelnes Mitglied dazu<lb/>
kommen kann, Schritte zu thun, deren Würdi-<lb/>
gung einen ganz andern Standpunkt voraussez-<lb/>
zen soll, als den, worauf das Individuum wirk-<lb/>
lich steht.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#aq">Wo ist denn dieser andre Standpunkt zu<lb/>
suchen? Er liegt vermuthlich höher, als der,<lb/>
worauf man die Nachtheile der Universität zu<lb/>
verhüten sich verpflichtet finden würde; denn<lb/>
er soll ja dem Tadel, über den Beruf des<lb/>
Professors hinauszugehen, nicht zugänglich<lb/>
seyn. Man stelle sich also auf die Höhe ei-<lb/></hi> </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0033] Gedankensprünge zu warnen. Allein zu eini- ger Entschuldigung, wenn etwa wirklich ein solcher Sprung nicht ganz vermieden wäre, habe ich schon vorhin das Recht der Univer- sität angeführt, einen Deputirten zur Stände- Versammlung zu senden. Nun ist freilich die Wahl eines Deputirten noch immer weit ver- schieden vom Stimmrecht; denn der Deputirte soll nach eigner Ueberzeugung seine Stimme abgeben, die vielleicht nicht genau die Stimme der Pluralität unter denen ist, welche ihn ge- wählt haben. Und wiederum giebt es noch eine Distanz zwischen der Pluralität und ir- gend welchen einzelnen Gliedern der wählen- den Corporation. Allein man sieht doch unge- fähr, wie ein solches einzelnes Mitglied dazu kommen kann, Schritte zu thun, deren Würdi- gung einen ganz andern Standpunkt voraussez- zen soll, als den, worauf das Individuum wirk- lich steht. Wo ist denn dieser andre Standpunkt zu suchen? Er liegt vermuthlich höher, als der, worauf man die Nachtheile der Universität zu verhüten sich verpflichtet finden würde; denn er soll ja dem Tadel, über den Beruf des Professors hinauszugehen, nicht zugänglich seyn. Man stelle sich also auf die Höhe ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/33
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/33>, abgerufen am 23.11.2024.