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Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72.

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Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
selben für Erregungspunkte, die continuirlich über eine Fläche verbreitet sind,
und das Theorem von Green auf die Schallbewegung übertragen, in §. 5
endlich werden die Grenzbedingungen für weit von den Erregungspunkten
entfernte Flächen aufgestellt, durch welche die Wellen in den unendlichen
freien Raum hinauslaufen.

Nachdem so die wichtigsten allgemeinen Gesetze der electrischen Po-
tentialfunctionen für die Lehre von den Schallwellen anwendbar gemacht
worden sind, werden die allgemeinen Gesetze der Bewegung der Luft in
Röhren mit offenen Mündungen durch wiederholte Anwendung des Greenschen
Satzes in §. 6 abgeleitet. Es wird hier zunächst vorausgesetzt, dass die
Röhren unendlich lang und cylindrisch von beliebigem Querschnitte seien. Nur
in einer so kleinen Entfernung von ihrer Mündung, dass deren Grösse gegen
die Wellenlänge vernachlässigt werden kann, darf die Röhre in beliebiger
Weise von der cylindrischen Form abweichen, und z. B. trompetenförmig er-
weitert oder verengt sein. Ebenso werden die Dimensionen der Oeffnung als
sehr klein gegen die Wellenlänge betrachtet. Da auch die Gestalt des äusseren
Luftraums bestimmt sein muss, wird angenommen, derselbe sei durch eine
gegen die Axe der Röhre senkrechte Ebene einseitig begrenzt mit welcher
auch die Ebene der Mündung zusammenfällt. Ueber die Bewegung wird vor-
ausgesetzt, dass Vibrationen, die einem einfachen Tone von n Schwingungen
angehören, irgendwo in der Röhre dauernd erregt werden, und dass zwischen
der Erregungsstelle und der Mündung ein Abschnitt der Röhre existire, in
welcher die Bewegung nicht merklich von der ebener Wellen unterschieden
sei. Mittelst des Greenschen Satzes kann man nun, ohne die specielle Form
der Mündung und der Luftbewegung in der Mündung zu kennen, gewisse
Beziehungen herleiten zwischen diesen ebenen Wellen und den sich halb-
kugelförmig ausbreitenden Wellen in den entfernten Theilen des freien Raumes,
und dadurch die bisher offen gebliebenen Fragen über den Einfluss des offenen
Endes auf die ebenen Wellen beantworten, so weit sie allgemein beantwortet
werden können.

Nehmen wir die Axe der Röhre als Axe der x, und die Ebene der
Mündung als Ebene der yz, so dass der freie Raum den positiven x, die
Röhre den negativen entspricht, so ist bei passender Festsetzung des Anfangs-
punktes der Zeit t die allgemeine Form des Geschwindigkeitspotentials in dem
Theile der Röhre, wo die Wellen eben sind, wenn wir die Wellenlänge

Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
selben für Erregungspunkte, die continuirlich über eine Fläche verbreitet sind,
und das Theorem von Green auf die Schallbewegung übertragen, in §. 5
endlich werden die Grenzbedingungen für weit von den Erregungspunkten
entfernte Flächen aufgestellt, durch welche die Wellen in den unendlichen
freien Raum hinauslaufen.

Nachdem so die wichtigsten allgemeinen Gesetze der electrischen Po-
tentialfunctionen für die Lehre von den Schallwellen anwendbar gemacht
worden sind, werden die allgemeinen Gesetze der Bewegung der Luft in
Röhren mit offenen Mündungen durch wiederholte Anwendung des Greenschen
Satzes in §. 6 abgeleitet. Es wird hier zunächst vorausgesetzt, daſs die
Röhren unendlich lang und cylindrisch von beliebigem Querschnitte seien. Nur
in einer so kleinen Entfernung von ihrer Mündung, daſs deren Gröſse gegen
die Wellenlänge vernachlässigt werden kann, darf die Röhre in beliebiger
Weise von der cylindrischen Form abweichen, und z. B. trompetenförmig er-
weitert oder verengt sein. Ebenso werden die Dimensionen der Oeffnung als
sehr klein gegen die Wellenlänge betrachtet. Da auch die Gestalt des äuſseren
Luftraums bestimmt sein muſs, wird angenommen, derselbe sei durch eine
gegen die Axe der Röhre senkrechte Ebene einseitig begrenzt mit welcher
auch die Ebene der Mündung zusammenfällt. Ueber die Bewegung wird vor-
ausgesetzt, daſs Vibrationen, die einem einfachen Tone von n Schwingungen
angehören, irgendwo in der Röhre dauernd erregt werden, und daſs zwischen
der Erregungsstelle und der Mündung ein Abschnitt der Röhre existire, in
welcher die Bewegung nicht merklich von der ebener Wellen unterschieden
sei. Mittelst des Greenschen Satzes kann man nun, ohne die specielle Form
der Mündung und der Luftbewegung in der Mündung zu kennen, gewisse
Beziehungen herleiten zwischen diesen ebenen Wellen und den sich halb-
kugelförmig ausbreitenden Wellen in den entfernten Theilen des freien Raumes,
und dadurch die bisher offen gebliebenen Fragen über den Einfluſs des offenen
Endes auf die ebenen Wellen beantworten, so weit sie allgemein beantwortet
werden können.

Nehmen wir die Axe der Röhre als Axe der x, und die Ebene der
Mündung als Ebene der yz, so daſs der freie Raum den positiven x, die
Röhre den negativen entspricht, so ist bei passender Festsetzung des Anfangs-
punktes der Zeit t die allgemeine Form des Geschwindigkeitspotentials in dem
Theile der Röhre, wo die Wellen eben sind, wenn wir die Wellenlänge

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[7/0017] Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren. selben für Erregungspunkte, die continuirlich über eine Fläche verbreitet sind, und das Theorem von Green auf die Schallbewegung übertragen, in §. 5 endlich werden die Grenzbedingungen für weit von den Erregungspunkten entfernte Flächen aufgestellt, durch welche die Wellen in den unendlichen freien Raum hinauslaufen. Nachdem so die wichtigsten allgemeinen Gesetze der electrischen Po- tentialfunctionen für die Lehre von den Schallwellen anwendbar gemacht worden sind, werden die allgemeinen Gesetze der Bewegung der Luft in Röhren mit offenen Mündungen durch wiederholte Anwendung des Greenschen Satzes in §. 6 abgeleitet. Es wird hier zunächst vorausgesetzt, daſs die Röhren unendlich lang und cylindrisch von beliebigem Querschnitte seien. Nur in einer so kleinen Entfernung von ihrer Mündung, daſs deren Gröſse gegen die Wellenlänge vernachlässigt werden kann, darf die Röhre in beliebiger Weise von der cylindrischen Form abweichen, und z. B. trompetenförmig er- weitert oder verengt sein. Ebenso werden die Dimensionen der Oeffnung als sehr klein gegen die Wellenlänge betrachtet. Da auch die Gestalt des äuſseren Luftraums bestimmt sein muſs, wird angenommen, derselbe sei durch eine gegen die Axe der Röhre senkrechte Ebene einseitig begrenzt mit welcher auch die Ebene der Mündung zusammenfällt. Ueber die Bewegung wird vor- ausgesetzt, daſs Vibrationen, die einem einfachen Tone von n Schwingungen angehören, irgendwo in der Röhre dauernd erregt werden, und daſs zwischen der Erregungsstelle und der Mündung ein Abschnitt der Röhre existire, in welcher die Bewegung nicht merklich von der ebener Wellen unterschieden sei. Mittelst des Greenschen Satzes kann man nun, ohne die specielle Form der Mündung und der Luftbewegung in der Mündung zu kennen, gewisse Beziehungen herleiten zwischen diesen ebenen Wellen und den sich halb- kugelförmig ausbreitenden Wellen in den entfernten Theilen des freien Raumes, und dadurch die bisher offen gebliebenen Fragen über den Einfluſs des offenen Endes auf die ebenen Wellen beantworten, so weit sie allgemein beantwortet werden können. Nehmen wir die Axe der Röhre als Axe der x, und die Ebene der Mündung als Ebene der yz, so daſs der freie Raum den positiven x, die Röhre den negativen entspricht, so ist bei passender Festsetzung des Anfangs- punktes der Zeit t die allgemeine Form des Geschwindigkeitspotentials in dem Theile der Röhre, wo die Wellen eben sind, wenn wir die Wellenlänge

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Zitationshilfe: Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72, hier S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/helmholtz_luftschwingungen_1860/17>, abgerufen am 26.04.2024.