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Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72.

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Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
nach drei rechtwinkeligen Coordinatenaxen genommen die drei entsprechenden
Componenten der Geschwindigkeit geben, den Namen des Geschwindigkeits-
potentials
vorgeschlagen habe, so lässt sich diese Analogie auch weiter in der
Bezeichnung festhalten. Den electrischen Massenpunkten entsprechen die
Erregungspunkte des Schalls, der Masse der ersteren die Intensität der
letzteren. Sind die letzteren continuirlich im Raume oder auf einer Fläche
vertheilt, so lässt sich der Begriff der Dichtigkeit auf sie übertragen, und es
lassen sich in beiden Fällen Beziehungen ganz analoger Art zwischen ihrer
Dichtigkeit und den Differentialquotienten des Geschwindigkeitspotentials auf-
stellen, wie sie für die electrische Dichtigkeit und die Differentialquotienten
der electrischen Potentialfunctionen gelten.

Den Hauptnutzen gewährt aber die Uebertragung des Theorems von
Green*) auf die hier vorliegenden Verhältnisse, welches sich schon für die
Theorie der Electricität und des Magnetismus so ausserordentlich fruchtbar ge-
zeigt hat. Von allgemeinen Sätzen, die daraus herfliessen, sollen nur folgende
hervorgehoben werden: 1) Die Schallbewegung in jedem allseitig begrenz-
ten Raume, welcher keine Erregungspunkte enthält, kann stets dargestellt
werden als ausgehend von Erregungspunkten, die nur längs der Ober-
fläche des Raumes in einer oder zwei einander unendlich nahen Schich-
ten ausgebreitet sind.
2) In jedem Raume, dessen sämmtliche Dimensio-
nen verschwindend klein gegen die Wellenlänge sind, können für das
Geschwindigkeitspotential der Luftbewegung die analytischen Formen der
electrischen Potentialfunctionen gesetzt werden, welche von jenem nur
unendlich wenig unterschieden sind.
3) Wenn in einem theils von end-
lich ausgedehnten festen Wänden begrenzten, theils unbegrenzten Raume
Schall im Punkte a erregt wird, so ist das Geschwindigkeitspotential in
einem anderen Punkte b so gross, als es in a sein würde, wenn dieselbe
Schallerregung in b stattfände.

Speciell werden in §. 1 die Bewegungsgesetze der Luft für die vor-
liegende Aufgabe umgeformt, in §. 2 die allgemeinen Formen des Geschwin-
digkeitspotentials für einen von Erregungspunkten freien Raum untersucht,
in §. 3 die Beziehungen zwischen der Dichtigkeit continuirlich verbreiteter
Erregungspunkte und dem Geschwindigkeitspotential festgestellt, in §. 4 die-

*) Dieses Journal Bd. XLIV, S. 360.

Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
nach drei rechtwinkeligen Coordinatenaxen genommen die drei entsprechenden
Componenten der Geschwindigkeit geben, den Namen des Geschwindigkeits-
potentials
vorgeschlagen habe, so läſst sich diese Analogie auch weiter in der
Bezeichnung festhalten. Den electrischen Massenpunkten entsprechen die
Erregungspunkte des Schalls, der Masse der ersteren die Intensität der
letzteren. Sind die letzteren continuirlich im Raume oder auf einer Fläche
vertheilt, so läſst sich der Begriff der Dichtigkeit auf sie übertragen, und es
lassen sich in beiden Fällen Beziehungen ganz analoger Art zwischen ihrer
Dichtigkeit und den Differentialquotienten des Geschwindigkeitspotentials auf-
stellen, wie sie für die electrische Dichtigkeit und die Differentialquotienten
der electrischen Potentialfunctionen gelten.

Den Hauptnutzen gewährt aber die Uebertragung des Theorems von
Green*) auf die hier vorliegenden Verhältnisse, welches sich schon für die
Theorie der Electricität und des Magnetismus so auſserordentlich fruchtbar ge-
zeigt hat. Von allgemeinen Sätzen, die daraus herflieſsen, sollen nur folgende
hervorgehoben werden: 1) Die Schallbewegung in jedem allseitig begrenz-
ten Raume, welcher keine Erregungspunkte enthält, kann stets dargestellt
werden als ausgehend von Erregungspunkten, die nur längs der Ober-
fläche des Raumes in einer oder zwei einander unendlich nahen Schich-
ten ausgebreitet sind.
2) In jedem Raume, dessen sämmtliche Dimensio-
nen verschwindend klein gegen die Wellenlänge sind, können für das
Geschwindigkeitspotential der Luftbewegung die analytischen Formen der
electrischen Potentialfunctionen gesetzt werden, welche von jenem nur
unendlich wenig unterschieden sind.
3) Wenn in einem theils von end-
lich ausgedehnten festen Wänden begrenzten, theils unbegrenzten Raume
Schall im Punkte a erregt wird, so ist das Geschwindigkeitspotential in
einem anderen Punkte b so groſs, als es in a sein würde, wenn dieselbe
Schallerregung in b stattfände.

Speciell werden in §. 1 die Bewegungsgesetze der Luft für die vor-
liegende Aufgabe umgeformt, in §. 2 die allgemeinen Formen des Geschwin-
digkeitspotentials für einen von Erregungspunkten freien Raum untersucht,
in §. 3 die Beziehungen zwischen der Dichtigkeit continuirlich verbreiteter
Erregungspunkte und dem Geschwindigkeitspotential festgestellt, in §. 4 die-

*) Dieses Journal Bd. XLIV, S. 360.
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[6/0016] Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren. nach drei rechtwinkeligen Coordinatenaxen genommen die drei entsprechenden Componenten der Geschwindigkeit geben, den Namen des Geschwindigkeits- potentials vorgeschlagen habe, so läſst sich diese Analogie auch weiter in der Bezeichnung festhalten. Den electrischen Massenpunkten entsprechen die Erregungspunkte des Schalls, der Masse der ersteren die Intensität der letzteren. Sind die letzteren continuirlich im Raume oder auf einer Fläche vertheilt, so läſst sich der Begriff der Dichtigkeit auf sie übertragen, und es lassen sich in beiden Fällen Beziehungen ganz analoger Art zwischen ihrer Dichtigkeit und den Differentialquotienten des Geschwindigkeitspotentials auf- stellen, wie sie für die electrische Dichtigkeit und die Differentialquotienten der electrischen Potentialfunctionen gelten. Den Hauptnutzen gewährt aber die Uebertragung des Theorems von Green *) auf die hier vorliegenden Verhältnisse, welches sich schon für die Theorie der Electricität und des Magnetismus so auſserordentlich fruchtbar ge- zeigt hat. Von allgemeinen Sätzen, die daraus herflieſsen, sollen nur folgende hervorgehoben werden: 1) Die Schallbewegung in jedem allseitig begrenz- ten Raume, welcher keine Erregungspunkte enthält, kann stets dargestellt werden als ausgehend von Erregungspunkten, die nur längs der Ober- fläche des Raumes in einer oder zwei einander unendlich nahen Schich- ten ausgebreitet sind. 2) In jedem Raume, dessen sämmtliche Dimensio- nen verschwindend klein gegen die Wellenlänge sind, können für das Geschwindigkeitspotential der Luftbewegung die analytischen Formen der electrischen Potentialfunctionen gesetzt werden, welche von jenem nur unendlich wenig unterschieden sind. 3) Wenn in einem theils von end- lich ausgedehnten festen Wänden begrenzten, theils unbegrenzten Raume Schall im Punkte a erregt wird, so ist das Geschwindigkeitspotential in einem anderen Punkte b so groſs, als es in a sein würde, wenn dieselbe Schallerregung in b stattfände. Speciell werden in §. 1 die Bewegungsgesetze der Luft für die vor- liegende Aufgabe umgeformt, in §. 2 die allgemeinen Formen des Geschwin- digkeitspotentials für einen von Erregungspunkten freien Raum untersucht, in §. 3 die Beziehungen zwischen der Dichtigkeit continuirlich verbreiteter Erregungspunkte und dem Geschwindigkeitspotential festgestellt, in §. 4 die- *) Dieses Journal Bd. XLIV, S. 360.

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Zitationshilfe: Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72, hier S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/helmholtz_luftschwingungen_1860/16>, abgerufen am 24.04.2024.