Raphael hat sich innig, von zarter Kindheit an, als einzig liebes Künstlersöhnchen voll frischer Kraft selbst zum Mahler in der Einsamkeit und beym Leben in der Welt gebildet, und früh sich angewöhnt, Gestalten und Bewegungen dersel- ben sich in der Phantasie zu sammeln und vorzu- stellen; und diese Uebung und Gewohnheit ist nach und nach bey ihm zur stärksten Fertigkeit ge- worden. Seine Hand hat er gleichfalls geübt, wie Auge und Phantasie, und dabey seines Gei- stes Sphäre erweitert; und so ist der göttliche Jüngling zum Vorschein gekommen. Die Hauptsache, worin er alle übertrift, bleibt eben die vollkommne Fertigkeit, sich Gestalten vorzu- stellen, die Grund in der Natur haben, mit Zweck und Absicht. Daher die wunderbare Menge seiner Gemählde. Das höchste in der Mahlerey, Gestalt, wobey sich andre, zuweilen die scharfsinnigsten Köpfe, vergebens abmartern, war sein leichtestes, ging von ihm aus wie [...]Quelle.
Aber
C 2
Raphael hat ſich innig, von zarter Kindheit an, als einzig liebes Kuͤnſtlerſoͤhnchen voll friſcher Kraft ſelbſt zum Mahler in der Einſamkeit und beym Leben in der Welt gebildet, und fruͤh ſich angewoͤhnt, Geſtalten und Bewegungen derſel- ben ſich in der Phantaſie zu ſammeln und vorzu- ſtellen; und dieſe Uebung und Gewohnheit iſt nach und nach bey ihm zur ſtaͤrkſten Fertigkeit ge- worden. Seine Hand hat er gleichfalls geuͤbt, wie Auge und Phantaſie, und dabey ſeines Gei- ſtes Sphaͤre erweitert; und ſo iſt der goͤttliche Juͤngling zum Vorſchein gekommen. Die Hauptſache, worin er alle uͤbertrift, bleibt eben die vollkommne Fertigkeit, ſich Geſtalten vorzu- ſtellen, die Grund in der Natur haben, mit Zweck und Abſicht. Daher die wunderbare Menge ſeiner Gemaͤhlde. Das hoͤchſte in der Mahlerey, Geſtalt, wobey ſich andre, zuweilen die ſcharfſinnigſten Koͤpfe, vergebens abmartern, war ſein leichteſtes, ging von ihm aus wie […]Quelle.
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Raphael hat ſich innig, von zarter Kindheit
an, als einzig liebes Kuͤnſtlerſoͤhnchen voll friſcher
Kraft ſelbſt zum Mahler in der Einſamkeit und
beym Leben in der Welt gebildet, und fruͤh ſich
angewoͤhnt, Geſtalten und Bewegungen derſel-
ben ſich in der Phantaſie zu ſammeln und vorzu-
ſtellen; und dieſe Uebung und Gewohnheit iſt
nach und nach bey ihm zur ſtaͤrkſten Fertigkeit ge-
worden. Seine Hand hat er gleichfalls geuͤbt,
wie Auge und Phantaſie, und dabey ſeines Gei-
ſtes Sphaͤre erweitert; und ſo iſt der goͤttliche
Juͤngling zum Vorſchein gekommen. Die
Hauptſache, worin er alle uͤbertrift, bleibt eben
die vollkommne Fertigkeit, ſich Geſtalten vorzu-
ſtellen, die Grund in der Natur haben, mit
Zweck und Abſicht. Daher die wunderbare
Menge ſeiner Gemaͤhlde. Das hoͤchſte in der
Mahlerey, Geſtalt, wobey ſich andre, zuweilen die
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ſein leichteſtes, ging von ihm aus wie Quelle.
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/43>, abgerufen am 18.12.2024.
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