Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Ohne Eins, das sich in verschiedne Formen
verwandelt, bleibt alles völlig unerklärlich; ich
mag darüber nicht wiederhohlen, was ich schon
gesagt habe. Und dann:

Gott ist nicht Mensch, Anthropomorphit!
und ihr selbst müßt eure Menschheit ablegen,
wenn ihr ihn denken wollt; und eure stolzen republi-
kanischen und Spartanischen Gesinnungen.

Und doch können wir schon in unserm Pünkt-
chen, Plätzchen von Formen nach dem Aristote-
les, Ideen groß und klein, also irgendwo darin,
erdenken, umbilden, aufbewahren, und wieder
neu beleben. Reines Wesen kann in bloßem Be-
wußtseyn harren, das ist sein Leben; aber auch
Formen in sich schaffen und sammeln, das ist sein
Geschäft und seine Lust.

Woher es ist, unendlich? Wie es war
wüst und leer? wie der erste Gedanke in ihm
entstand? und Körper? hier ists noch immer
finster auf der Tiefe;
Abgrund, wir versinken,

und
Q 4

Ohne Eins, das ſich in verſchiedne Formen
verwandelt, bleibt alles voͤllig unerklaͤrlich; ich
mag daruͤber nicht wiederhohlen, was ich ſchon
geſagt habe. Und dann:

Gott iſt nicht Menſch, Anthropomorphit!
und ihr ſelbſt muͤßt eure Menſchheit ablegen,
wenn ihr ihn denken wollt; und eure ſtolzen republi-
kaniſchen und Spartaniſchen Geſinnungen.

Und doch koͤnnen wir ſchon in unſerm Puͤnkt-
chen, Plaͤtzchen von Formen nach dem Ariſtote-
les, Ideen groß und klein, alſo irgendwo darin,
erdenken, umbilden, aufbewahren, und wieder
neu beleben. Reines Weſen kann in bloßem Be-
wußtſeyn harren, das iſt ſein Leben; aber auch
Formen in ſich ſchaffen und ſammeln, das iſt ſein
Geſchaͤft und ſeine Luſt.

Woher es iſt, unendlich? Wie es war
wuͤſt und leer? wie der erſte Gedanke in ihm
entſtand? und Koͤrper? hier iſts noch immer
finſter auf der Tiefe;
Abgrund, wir verſinken,

und
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0255" n="247"/>
          <p>Ohne Eins, das &#x017F;ich in ver&#x017F;chiedne Formen<lb/>
verwandelt, bleibt alles vo&#x0364;llig unerkla&#x0364;rlich; ich<lb/>
mag daru&#x0364;ber nicht wiederhohlen, was ich &#x017F;chon<lb/>
ge&#x017F;agt habe. Und dann:</p><lb/>
          <p>Gott i&#x017F;t nicht Men&#x017F;ch, Anthropomorphit!<lb/>
und ihr &#x017F;elb&#x017F;t mu&#x0364;ßt eure Men&#x017F;chheit ablegen,<lb/>
wenn ihr <choice><sic/><corr type="corrigenda">ihn </corr></choice>denken wollt; und eure &#x017F;tolzen republi-<lb/>
kani&#x017F;chen und Spartani&#x017F;chen Ge&#x017F;innungen.</p><lb/>
          <p>Und doch ko&#x0364;nnen wir &#x017F;chon in un&#x017F;erm Pu&#x0364;nkt-<lb/>
chen, Pla&#x0364;tzchen von Formen nach dem Ari&#x017F;tote-<lb/>
les, Ideen groß und klein, al&#x017F;o irgendwo darin,<lb/>
erdenken, umbilden, aufbewahren, und wieder<lb/>
neu beleben. Reines We&#x017F;en kann in bloßem Be-<lb/>
wußt&#x017F;eyn harren, das i&#x017F;t &#x017F;ein Leben; aber auch<lb/>
Formen in &#x017F;ich &#x017F;chaffen und &#x017F;ammeln, das i&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ft und &#x017F;eine Lu&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Woher es i&#x017F;t, unendlich? Wie es war<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;t und leer? wie der er&#x017F;te Gedanke in ihm<lb/>
ent&#x017F;tand? und Ko&#x0364;rper? <hi rendition="#fr">hier i&#x017F;ts noch immer<lb/>
fin&#x017F;ter auf der Tiefe;</hi> Abgrund, wir ver&#x017F;inken,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0255] Ohne Eins, das ſich in verſchiedne Formen verwandelt, bleibt alles voͤllig unerklaͤrlich; ich mag daruͤber nicht wiederhohlen, was ich ſchon geſagt habe. Und dann: Gott iſt nicht Menſch, Anthropomorphit! und ihr ſelbſt muͤßt eure Menſchheit ablegen, wenn ihr ihn denken wollt; und eure ſtolzen republi- kaniſchen und Spartaniſchen Geſinnungen. Und doch koͤnnen wir ſchon in unſerm Puͤnkt- chen, Plaͤtzchen von Formen nach dem Ariſtote- les, Ideen groß und klein, alſo irgendwo darin, erdenken, umbilden, aufbewahren, und wieder neu beleben. Reines Weſen kann in bloßem Be- wußtſeyn harren, das iſt ſein Leben; aber auch Formen in ſich ſchaffen und ſammeln, das iſt ſein Geſchaͤft und ſeine Luſt. Woher es iſt, unendlich? Wie es war wuͤſt und leer? wie der erſte Gedanke in ihm entſtand? und Koͤrper? hier iſts noch immer finſter auf der Tiefe; Abgrund, wir verſinken, und Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/255
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/255>, abgerufen am 10.06.2024.