Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Manches in der erhabnen Beschreibung des
Aristoteles von Gott scheint hierauf zu passen.

Dieß ist das unbegreiflich göttliche, was in
allem lebendigen Einzeln verdaut, und Körper
wieder zu reinem Wesen auflöst, sich selbst und
dieses wieder nach Form seines gegenwärtigen
Eins verwandelt, neue derselben Art erzeugt,
und auf deren immer größere Vollkommenheit
und mehrere Freuden denkt.

Wenn Eins Alles ist: so ist jede Form des-
selben ursprünglich freye Handlung; denn es
läßt sich kein Grund denken, als seine Lust, war-
um es aus sich so mancherley wird. Und Allge-
nuß seiner Kraft ist die höchste Freyheit.

Das Wesen hat also die Welt nach seiner
Lust aus sich erschaffen, und in mannichfaltige,
für uns unendliche Formen geordnet. Wie?
und ob auf einmal, oder nach einander? können
wir nicht ergründen. So viel wissen wir, daß
sich die Schöpfung durch immerwährende Erneue-

rung
P 2

Manches in der erhabnen Beſchreibung des
Ariſtoteles von Gott ſcheint hierauf zu paſſen.

Dieß iſt das unbegreiflich goͤttliche, was in
allem lebendigen Einzeln verdaut, und Koͤrper
wieder zu reinem Weſen aufloͤſt, ſich ſelbſt und
dieſes wieder nach Form ſeines gegenwaͤrtigen
Eins verwandelt, neue derſelben Art erzeugt,
und auf deren immer groͤßere Vollkommenheit
und mehrere Freuden denkt.

Wenn Eins Alles iſt: ſo iſt jede Form deſ-
ſelben urſpruͤnglich freye Handlung; denn es
laͤßt ſich kein Grund denken, als ſeine Luſt, war-
um es aus ſich ſo mancherley wird. Und Allge-
nuß ſeiner Kraft iſt die hoͤchſte Freyheit.

Das Weſen hat alſo die Welt nach ſeiner
Luſt aus ſich erſchaffen, und in mannichfaltige,
fuͤr uns unendliche Formen geordnet. Wie?
und ob auf einmal, oder nach einander? koͤnnen
wir nicht ergruͤnden. So viel wiſſen wir, daß
ſich die Schoͤpfung durch immerwaͤhrende Erneue-

rung
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0235" n="227"/>
          <p>Manches in der erhabnen Be&#x017F;chreibung des<lb/>
Ari&#x017F;toteles von Gott &#x017F;cheint hierauf zu pa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Dieß i&#x017F;t das unbegreiflich go&#x0364;ttliche, was in<lb/>
allem lebendigen Einzeln verdaut, und Ko&#x0364;rper<lb/>
wieder zu reinem We&#x017F;en auflo&#x0364;&#x017F;t, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und<lb/>
die&#x017F;es wieder nach Form &#x017F;eines gegenwa&#x0364;rtigen<lb/>
Eins verwandelt, neue der&#x017F;elben Art erzeugt,<lb/>
und auf deren immer gro&#x0364;ßere Vollkommenheit<lb/>
und mehrere Freuden denkt.</p><lb/>
          <p>Wenn Eins Alles i&#x017F;t: &#x017F;o i&#x017F;t jede Form de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben ur&#x017F;pru&#x0364;nglich freye Handlung; denn es<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich kein Grund denken, als &#x017F;eine Lu&#x017F;t, war-<lb/>
um es aus &#x017F;ich &#x017F;o mancherley wird. Und Allge-<lb/>
nuß &#x017F;einer Kraft i&#x017F;t die ho&#x0364;ch&#x017F;te Freyheit.</p><lb/>
          <p>Das We&#x017F;en hat al&#x017F;o die Welt nach &#x017F;einer<lb/>
Lu&#x017F;t aus &#x017F;ich er&#x017F;chaffen, und in mannichfaltige,<lb/>
fu&#x0364;r uns unendliche Formen geordnet. Wie?<lb/>
und ob auf einmal, oder nach einander? ko&#x0364;nnen<lb/>
wir nicht ergru&#x0364;nden. So viel wi&#x017F;&#x017F;en wir, daß<lb/>
&#x017F;ich die Scho&#x0364;pfung durch immerwa&#x0364;hrende Erneue-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">rung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0235] Manches in der erhabnen Beſchreibung des Ariſtoteles von Gott ſcheint hierauf zu paſſen. Dieß iſt das unbegreiflich goͤttliche, was in allem lebendigen Einzeln verdaut, und Koͤrper wieder zu reinem Weſen aufloͤſt, ſich ſelbſt und dieſes wieder nach Form ſeines gegenwaͤrtigen Eins verwandelt, neue derſelben Art erzeugt, und auf deren immer groͤßere Vollkommenheit und mehrere Freuden denkt. Wenn Eins Alles iſt: ſo iſt jede Form deſ- ſelben urſpruͤnglich freye Handlung; denn es laͤßt ſich kein Grund denken, als ſeine Luſt, war- um es aus ſich ſo mancherley wird. Und Allge- nuß ſeiner Kraft iſt die hoͤchſte Freyheit. Das Weſen hat alſo die Welt nach ſeiner Luſt aus ſich erſchaffen, und in mannichfaltige, fuͤr uns unendliche Formen geordnet. Wie? und ob auf einmal, oder nach einander? koͤnnen wir nicht ergruͤnden. So viel wiſſen wir, daß ſich die Schoͤpfung durch immerwaͤhrende Erneue- rung P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/235
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/235>, abgerufen am 19.05.2024.