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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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verliebter Gedanke. Herzlicher und dauerhaf-
ter kann ein Volk einem Helden keine Ehre
anthun.

Die Kunst bleibt ein sonderbares Ding; sie
scheint ganz ihren Weg für sich zu gehn. Wenn
man von ihrer Vortreflichkeit auf die Vortref-
lichkeit der Menschen zu gleicher Zeit sollte schlie-
ßen können, und umgekehrt: welche Popanzen
müßten die Römer zu Septimius und Konstan-
tins Zeiten gewesen seyn gegen die unter Tra-
jans? Der Kontrast ist gar zu possierlich an des
christlichen Kaisers Bogen, wo die Bildhauer
unter ihm zu den Wechselbälgen seiner Geschich-
ten die Meisterstücke von Figuren aus einem
andern zum Ruhme des Siegers von Dazien hin-
eingeflickt haben. Was konnte Alexander dafür,
daß er keinen Homer fand bey seinem Leben, über-
haupt keinen großen Dichter, der ihn besang?

Ferner ist rückwärts gewiß, daß die Kunst
bey gleich vortreflichen Menschen nur nach und

nach
H 2

verliebter Gedanke. Herzlicher und dauerhaf-
ter kann ein Volk einem Helden keine Ehre
anthun.

Die Kunſt bleibt ein ſonderbares Ding; ſie
ſcheint ganz ihren Weg fuͤr ſich zu gehn. Wenn
man von ihrer Vortreflichkeit auf die Vortref-
lichkeit der Menſchen zu gleicher Zeit ſollte ſchlie-
ßen koͤnnen, und umgekehrt: welche Popanzen
muͤßten die Roͤmer zu Septimius und Konſtan-
tins Zeiten geweſen ſeyn gegen die unter Tra-
jans? Der Kontraſt iſt gar zu poſſierlich an des
chriſtlichen Kaiſers Bogen, wo die Bildhauer
unter ihm zu den Wechſelbaͤlgen ſeiner Geſchich-
ten die Meiſterſtuͤcke von Figuren aus einem
andern zum Ruhme des Siegers von Dazien hin-
eingeflickt haben. Was konnte Alexander dafuͤr,
daß er keinen Homer fand bey ſeinem Leben, uͤber-
haupt keinen großen Dichter, der ihn beſang?

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nach
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[115/0123] verliebter Gedanke. Herzlicher und dauerhaf- ter kann ein Volk einem Helden keine Ehre anthun. Die Kunſt bleibt ein ſonderbares Ding; ſie ſcheint ganz ihren Weg fuͤr ſich zu gehn. Wenn man von ihrer Vortreflichkeit auf die Vortref- lichkeit der Menſchen zu gleicher Zeit ſollte ſchlie- ßen koͤnnen, und umgekehrt: welche Popanzen muͤßten die Roͤmer zu Septimius und Konſtan- tins Zeiten geweſen ſeyn gegen die unter Tra- jans? Der Kontraſt iſt gar zu poſſierlich an des chriſtlichen Kaiſers Bogen, wo die Bildhauer unter ihm zu den Wechſelbaͤlgen ſeiner Geſchich- ten die Meiſterſtuͤcke von Figuren aus einem andern zum Ruhme des Siegers von Dazien hin- eingeflickt haben. Was konnte Alexander dafuͤr, daß er keinen Homer fand bey ſeinem Leben, uͤber- haupt keinen großen Dichter, der ihn beſang? Ferner iſt ruͤckwaͤrts gewiß, daß die Kunſt bey gleich vortreflichen Menſchen nur nach und nach H 2

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/123>, abgerufen am 21.11.2024.