te soll auch bey dem Mahler nicht bloß Augenwei- de seyn, sondern tiefer dringen. Der Kunst die- ses nehmen wollen, heißt sie zum schaalsten Zeitvertreib machen. Außerdem sind immer diese dreyerley Gattungen getrieben worden, wie schon in Griechenland, wo, nach dem Aristote- les, Polygnot die Menschen besser mahlte, als sie waren, Pauson schlechter, und Dionys nach der Wirklichkeit."
"An Ausdruck und Bewegung von Leiden- schaften wird die Natur hoffentlich immer eben so unerschöpflich bleiben, als an neuen Gesich- tern und Gestalten."
"Kurz, der Künstler stellt wie ein Zaubrer für den Verständigen mit einem Blick auf einmal die wirkliche That dar, wo der Augenschein über alle andre Vorstellung hinreißt; und dar- über macht der Geschichtschreiber und Dichter für die Unwissenden nur eine Brühe darum her,
gleichsam
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te ſoll auch bey dem Mahler nicht bloß Augenwei- de ſeyn, ſondern tiefer dringen. Der Kunſt die- ſes nehmen wollen, heißt ſie zum ſchaalſten Zeitvertreib machen. Außerdem ſind immer dieſe dreyerley Gattungen getrieben worden, wie ſchon in Griechenland, wo, nach dem Ariſtote- les, Polygnot die Menſchen beſſer mahlte, als ſie waren, Pauſon ſchlechter, und Dionys nach der Wirklichkeit.“
„An Ausdruck und Bewegung von Leiden- ſchaften wird die Natur hoffentlich immer eben ſo unerſchoͤpflich bleiben, als an neuen Geſich- tern und Geſtalten.“
„Kurz, der Kuͤnſtler ſtellt wie ein Zaubrer fuͤr den Verſtaͤndigen mit einem Blick auf einmal die wirkliche That dar, wo der Augenſchein uͤber alle andre Vorſtellung hinreißt; und dar- uͤber macht der Geſchichtſchreiber und Dichter fuͤr die Unwiſſenden nur eine Bruͤhe darum her,
gleichſam
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te ſoll auch bey dem Mahler nicht bloß Augenwei-
de ſeyn, ſondern tiefer dringen. Der Kunſt die-
ſes nehmen wollen, heißt ſie zum ſchaalſten
Zeitvertreib machen. Außerdem ſind immer
dieſe dreyerley Gattungen getrieben worden, wie
ſchon in Griechenland, wo, nach dem Ariſtote-
les, Polygnot die Menſchen beſſer mahlte, als
ſie waren, Pauſon ſchlechter, und Dionys nach
der Wirklichkeit.“
„An Ausdruck und Bewegung von Leiden-
ſchaften wird die Natur hoffentlich immer eben
ſo unerſchoͤpflich bleiben, als an neuen Geſich-
tern und Geſtalten.“
„Kurz, der Kuͤnſtler ſtellt wie ein Zaubrer
fuͤr den Verſtaͤndigen mit einem Blick auf einmal
die wirkliche That dar, wo der Augenſchein
uͤber alle andre Vorſtellung hinreißt; und dar-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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