der Könige losmachte, und hernach durch seine Tribunen die Aristokraten bändigte? O es ist dem Menschen so süß, über andre zu herrschen, deren Knaben und Töchter und Weiber sich auf- warten zu lassen, ihren besten Wein zu trinken, ihre besten Früchte, ihr bestes Gemüß und Fleisch zu schmausen, sie im Sonnenbrand arbeiten zu sehen, und selbst in kühlen Schatten faullenzen, sie unter den Schwertern und dem donnernden Geschütz der Feinde zu wissen, wenn junge zarte Dirnen ihm sorgsam die Fliegen wegwedeln! Je- der will dazu Recht haben, und göttliches Recht haben, sobald er im Besitz ist, und ließ eher den letzten Kopf von allen seinen Unterthanen, Vater und Sohn, Mutter, Bruder, Schwester, Tochter über die Klinge springen, die es rebellisch leugneten, und befände sich lieber allein in einer Wüste zwi- schen der Pest der Hingerichteten, als daß er zum Exempel einem Rom gestattete, außer seiner Unterjochung das erste Volk der Welt zu seyn. Dieß ist in der Natur; so elend ist der Mensch;
alle
der Koͤnige losmachte, und hernach durch ſeine Tribunen die Ariſtokraten baͤndigte? O es iſt dem Menſchen ſo ſuͤß, uͤber andre zu herrſchen, deren Knaben und Toͤchter und Weiber ſich auf- warten zu laſſen, ihren beſten Wein zu trinken, ihre beſten Fruͤchte, ihr beſtes Gemuͤß und Fleiſch zu ſchmauſen, ſie im Sonnenbrand arbeiten zu ſehen, und ſelbſt in kuͤhlen Schatten faullenzen, ſie unter den Schwertern und dem donnernden Geſchuͤtz der Feinde zu wiſſen, wenn junge zarte Dirnen ihm ſorgſam die Fliegen wegwedeln! Je- der will dazu Recht haben, und goͤttliches Recht haben, ſobald er im Beſitz iſt, und ließ eher den letzten Kopf von allen ſeinen Unterthanen, Vater und Sohn, Mutter, Bruder, Schweſter, Tochter uͤber die Klinge ſpringen, die es rebelliſch leugneten, und befaͤnde ſich lieber allein in einer Wuͤſte zwi- ſchen der Peſt der Hingerichteten, als daß er zum Exempel einem Rom geſtattete, außer ſeiner Unterjochung das erſte Volk der Welt zu ſeyn. Dieß iſt in der Natur; ſo elend iſt der Menſch;
alle
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0307"n="301"/>
der Koͤnige losmachte, und hernach durch ſeine<lb/>
Tribunen die Ariſtokraten baͤndigte? O es iſt<lb/>
dem Menſchen ſo ſuͤß, uͤber andre zu herrſchen,<lb/>
deren Knaben und Toͤchter und Weiber ſich auf-<lb/>
warten zu laſſen, ihren beſten Wein zu trinken,<lb/>
ihre beſten Fruͤchte, ihr beſtes Gemuͤß und Fleiſch<lb/>
zu ſchmauſen, ſie im Sonnenbrand arbeiten zu<lb/>ſehen, und ſelbſt in kuͤhlen Schatten faullenzen,<lb/>ſie unter den Schwertern und dem donnernden<lb/>
Geſchuͤtz der Feinde zu wiſſen, wenn junge zarte<lb/>
Dirnen ihm ſorgſam die Fliegen wegwedeln! Je-<lb/>
der will dazu Recht haben, und goͤttliches Recht<lb/>
haben, ſobald er im Beſitz iſt, und ließ eher den<lb/>
letzten Kopf von allen ſeinen Unterthanen, Vater<lb/>
und Sohn, Mutter, Bruder, Schweſter, Tochter<lb/>
uͤber die Klinge ſpringen, die es rebelliſch leugneten,<lb/>
und befaͤnde ſich lieber allein in einer Wuͤſte zwi-<lb/>ſchen <choice><sic>ber</sic><corr>der</corr></choice> Peſt der Hingerichteten, als daß er<lb/>
zum Exempel einem Rom geſtattete, außer ſeiner<lb/>
Unterjochung das erſte Volk der Welt zu ſeyn.<lb/>
Dieß iſt in der Natur; ſo elend iſt der Menſch;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">alle</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0307]
der Koͤnige losmachte, und hernach durch ſeine
Tribunen die Ariſtokraten baͤndigte? O es iſt
dem Menſchen ſo ſuͤß, uͤber andre zu herrſchen,
deren Knaben und Toͤchter und Weiber ſich auf-
warten zu laſſen, ihren beſten Wein zu trinken,
ihre beſten Fruͤchte, ihr beſtes Gemuͤß und Fleiſch
zu ſchmauſen, ſie im Sonnenbrand arbeiten zu
ſehen, und ſelbſt in kuͤhlen Schatten faullenzen,
ſie unter den Schwertern und dem donnernden
Geſchuͤtz der Feinde zu wiſſen, wenn junge zarte
Dirnen ihm ſorgſam die Fliegen wegwedeln! Je-
der will dazu Recht haben, und goͤttliches Recht
haben, ſobald er im Beſitz iſt, und ließ eher den
letzten Kopf von allen ſeinen Unterthanen, Vater
und Sohn, Mutter, Bruder, Schweſter, Tochter
uͤber die Klinge ſpringen, die es rebelliſch leugneten,
und befaͤnde ſich lieber allein in einer Wuͤſte zwi-
ſchen der Peſt der Hingerichteten, als daß er
zum Exempel einem Rom geſtattete, außer ſeiner
Unterjochung das erſte Volk der Welt zu ſeyn.
Dieß iſt in der Natur; ſo elend iſt der Menſch;
alle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/307>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.