als ob ich in den Tempel der Keuschheit eingebro- chen wäre, und lästerlichen Frewel ausüben woll- te. Ich blickte durch das Fenster am Bette, und der volle Mond wich hinter die Seealpen, den Gräuel nicht anzusehen; unten rauschte zürnend das Meer auf. Ich ward erschüttert, und es fehlte nicht viel, daß ich mich wieder in den Schrank verborgen hätte; doch kniet ich vor sie hin, und stämmte mich sachte mit beyden Händen auf ihr Lager; ihr ambrosischer Athem berührte mich wie Wonne des Himmels. So lag ich eine Weile in ihrem Anschauen versunken und verlo- ren, und meiner endlich nicht mehr mächtig. Ich warf die Kleider von mir, und näherte mich nach und nach leise mit ganzem Leibe dem Schönsten, was die Welt hat. Ich schob alsdenn mit den äußersten Fingern das Hemd auf beyde Seiten von den Brüsten, die mich mit ihren Knospen der Unschuld anlächelten, als ob sie Ver- schonen ihrer Jungfräulichkeit bäten; und so
bracht
als ob ich in den Tempel der Keuſchheit eingebro- chen waͤre, und laͤſterlichen Frewel ausuͤben woll- te. Ich blickte durch das Fenſter am Bette, und der volle Mond wich hinter die Seealpen, den Graͤuel nicht anzuſehen; unten rauſchte zuͤrnend das Meer auf. Ich ward erſchuͤttert, und es fehlte nicht viel, daß ich mich wieder in den Schrank verborgen haͤtte; doch kniet ich vor ſie hin, und ſtaͤmmte mich ſachte mit beyden Haͤnden auf ihr Lager; ihr ambroſiſcher Athem beruͤhrte mich wie Wonne des Himmels. So lag ich eine Weile in ihrem Anſchauen verſunken und verlo- ren, und meiner endlich nicht mehr maͤchtig. Ich warf die Kleider von mir, und naͤherte mich nach und nach leiſe mit ganzem Leibe dem Schoͤnſten, was die Welt hat. Ich ſchob alsdenn mit den aͤußerſten Fingern das Hemd auf beyde Seiten von den Bruͤſten, die mich mit ihren Knospen der Unſchuld anlaͤchelten, als ob ſie Ver- ſchonen ihrer Jungfraͤulichkeit baͤten; und ſo
bracht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="224"/>
als ob ich in den Tempel der Keuſchheit eingebro-<lb/>
chen waͤre, und laͤſterlichen Frewel ausuͤben woll-<lb/>
te. Ich blickte durch das Fenſter am Bette,<lb/>
und der volle Mond wich hinter die Seealpen, den<lb/>
Graͤuel nicht anzuſehen; unten rauſchte zuͤrnend<lb/>
das Meer auf. Ich ward erſchuͤttert, und es<lb/>
fehlte nicht viel, daß ich mich wieder in den<lb/>
Schrank verborgen haͤtte; doch kniet ich vor ſie hin,<lb/>
und ſtaͤmmte mich ſachte mit beyden Haͤnden auf<lb/>
ihr Lager; ihr ambroſiſcher Athem beruͤhrte mich<lb/>
wie Wonne des Himmels. So lag ich eine<lb/>
Weile in ihrem Anſchauen verſunken und verlo-<lb/>
ren, und meiner endlich nicht mehr maͤchtig.<lb/>
Ich warf die Kleider von mir, und naͤherte<lb/>
mich nach und nach leiſe mit ganzem Leibe dem<lb/>
Schoͤnſten, was die Welt hat. Ich ſchob alsdenn<lb/>
mit den aͤußerſten Fingern das Hemd auf beyde<lb/>
Seiten von den Bruͤſten, die mich mit ihren<lb/>
Knospen der Unſchuld anlaͤchelten, als ob ſie Ver-<lb/>ſchonen ihrer Jungfraͤulichkeit baͤten; und ſo<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bracht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[224/0230]
als ob ich in den Tempel der Keuſchheit eingebro-
chen waͤre, und laͤſterlichen Frewel ausuͤben woll-
te. Ich blickte durch das Fenſter am Bette,
und der volle Mond wich hinter die Seealpen, den
Graͤuel nicht anzuſehen; unten rauſchte zuͤrnend
das Meer auf. Ich ward erſchuͤttert, und es
fehlte nicht viel, daß ich mich wieder in den
Schrank verborgen haͤtte; doch kniet ich vor ſie hin,
und ſtaͤmmte mich ſachte mit beyden Haͤnden auf
ihr Lager; ihr ambroſiſcher Athem beruͤhrte mich
wie Wonne des Himmels. So lag ich eine
Weile in ihrem Anſchauen verſunken und verlo-
ren, und meiner endlich nicht mehr maͤchtig.
Ich warf die Kleider von mir, und naͤherte
mich nach und nach leiſe mit ganzem Leibe dem
Schoͤnſten, was die Welt hat. Ich ſchob alsdenn
mit den aͤußerſten Fingern das Hemd auf beyde
Seiten von den Bruͤſten, die mich mit ihren
Knospen der Unſchuld anlaͤchelten, als ob ſie Ver-
ſchonen ihrer Jungfraͤulichkeit baͤten; und ſo
bracht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/230>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.