Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

weil er Pöbel ist, der sich nicht selbst regieren
kann?"

Du siehst hieraus, daß ich doch mit einem
gutartigen Geschöpfe noch zu thun habe. Ich
mußte über ihre Asspasienberedsamkeit und feinen
Lobsprüche lächeln; band ihr aber aufs Gewissen,
behutsam zu seyn; und so war der neue Liebeshan-
del fertig.

Es läuft mir heiß über den Leib, da ich mit
dir von Cäcilien sprechen will, und ich erröthe,
wie ein Unheiliger; sie bleibt immer die Krone
von Venedig. Möchte sie und Lucinde nur so
Schwestern seyn, wie Fulvia sagte! Aber ich
bin ein Thor und unersättlich. Ach, die Arme
wird verlangen Nachricht von mir zu hören; und
dieß ist noch nicht einzulenken. Wie bin ich
strafbar, daß ich mich mit dem Schönen zu ver-
einigen suche, wo ichs finde! ist dieß nicht der
edelste Trieb unsers Geistes? ist der nicht ein
Elender, ein von Gott Verworfner, der diesen

Trieb

weil er Poͤbel iſt, der ſich nicht ſelbſt regieren
kann?“

Du ſiehſt hieraus, daß ich doch mit einem
gutartigen Geſchoͤpfe noch zu thun habe. Ich
mußte uͤber ihre Asſpaſienberedſamkeit und feinen
Lobſpruͤche laͤcheln; band ihr aber aufs Gewiſſen,
behutſam zu ſeyn; und ſo war der neue Liebeshan-
del fertig.

Es laͤuft mir heiß uͤber den Leib, da ich mit
dir von Caͤcilien ſprechen will, und ich erroͤthe,
wie ein Unheiliger; ſie bleibt immer die Krone
von Venedig. Moͤchte ſie und Lucinde nur ſo
Schweſtern ſeyn, wie Fulvia ſagte! Aber ich
bin ein Thor und unerſaͤttlich. Ach, die Arme
wird verlangen Nachricht von mir zu hoͤren; und
dieß iſt noch nicht einzulenken. Wie bin ich
ſtrafbar, daß ich mich mit dem Schoͤnen zu ver-
einigen ſuche, wo ichs finde! iſt dieß nicht der
edelſte Trieb unſers Geiſtes? iſt der nicht ein
Elender, ein von Gott Verworfner, der dieſen

Trieb
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="214"/>
weil er Po&#x0364;bel i&#x017F;t, der &#x017F;ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t regieren<lb/>
kann?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Du &#x017F;ieh&#x017F;t hieraus, daß ich doch mit einem<lb/>
gutartigen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe noch zu thun habe. Ich<lb/>
mußte u&#x0364;ber ihre As&#x017F;pa&#x017F;ienbered&#x017F;amkeit und feinen<lb/>
Lob&#x017F;pru&#x0364;che la&#x0364;cheln; band ihr aber aufs Gewi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
behut&#x017F;am zu &#x017F;eyn; und &#x017F;o war der neue Liebeshan-<lb/>
del fertig.</p><lb/>
        <p>Es la&#x0364;uft mir heiß u&#x0364;ber den Leib, da ich mit<lb/>
dir von Ca&#x0364;cilien &#x017F;prechen will, und ich erro&#x0364;the,<lb/>
wie ein Unheiliger; &#x017F;ie bleibt immer die Krone<lb/>
von Venedig. Mo&#x0364;chte &#x017F;ie und Lucinde nur &#x017F;o<lb/>
Schwe&#x017F;tern &#x017F;eyn, wie Fulvia &#x017F;agte! Aber ich<lb/>
bin ein Thor und uner&#x017F;a&#x0364;ttlich. Ach, die Arme<lb/>
wird verlangen Nachricht von mir zu ho&#x0364;ren; und<lb/>
dieß i&#x017F;t noch nicht einzulenken. Wie bin ich<lb/>
&#x017F;trafbar, daß ich mich mit dem Scho&#x0364;nen zu ver-<lb/>
einigen &#x017F;uche, wo ichs finde! i&#x017F;t dieß nicht der<lb/>
edel&#x017F;te Trieb un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes? i&#x017F;t der nicht ein<lb/>
Elender, ein von Gott Verworfner, der die&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Trieb</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0220] weil er Poͤbel iſt, der ſich nicht ſelbſt regieren kann?“ Du ſiehſt hieraus, daß ich doch mit einem gutartigen Geſchoͤpfe noch zu thun habe. Ich mußte uͤber ihre Asſpaſienberedſamkeit und feinen Lobſpruͤche laͤcheln; band ihr aber aufs Gewiſſen, behutſam zu ſeyn; und ſo war der neue Liebeshan- del fertig. Es laͤuft mir heiß uͤber den Leib, da ich mit dir von Caͤcilien ſprechen will, und ich erroͤthe, wie ein Unheiliger; ſie bleibt immer die Krone von Venedig. Moͤchte ſie und Lucinde nur ſo Schweſtern ſeyn, wie Fulvia ſagte! Aber ich bin ein Thor und unerſaͤttlich. Ach, die Arme wird verlangen Nachricht von mir zu hoͤren; und dieß iſt noch nicht einzulenken. Wie bin ich ſtrafbar, daß ich mich mit dem Schoͤnen zu ver- einigen ſuche, wo ichs finde! iſt dieß nicht der edelſte Trieb unſers Geiſtes? iſt der nicht ein Elender, ein von Gott Verworfner, der dieſen Trieb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/220
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/220>, abgerufen am 22.11.2024.