ne Furcht in der Gefangenschaft, und seine Ge- stalt war so schlank und edel in der wilden Farbe von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beschloß, alles mögliche anzuwenden, ihn von der Knecht- schaft los zu machen, welches mir denn auch glückte; noch ehe wir zu Genua einliefen, schenkt ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn zu mir, wie wir von Bord traten; erklärte ihm seine Freyheit, worüber er mir an die Brust flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem Venezianischen Schiffe nach Konstantinopel ab- fahren. Er bat mich vorher um meine Zuschrift; die ich ihm dann an dich gab.
Du sollst dich nicht in mir betrogen haben, sprach er zu mir beym Abschied: solche Menschen, wie wir, müssen einander ihr lebenlang helfen."
Die Männer, die ihre schönen jungen Wei- ber wieder bekamen, freuten sich wenigstens, daß ihnen Grund und Boden geblieben war;
und
ne Furcht in der Gefangenſchaft, und ſeine Ge- ſtalt war ſo ſchlank und edel in der wilden Farbe von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beſchloß, alles moͤgliche anzuwenden, ihn von der Knecht- ſchaft los zu machen, welches mir denn auch gluͤckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, ſchenkt ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn zu mir, wie wir von Bord traten; erklaͤrte ihm ſeine Freyheit, woruͤber er mir an die Bruſt flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem Venezianiſchen Schiffe nach Konſtantinopel ab- fahren. Er bat mich vorher um meine Zuſchrift; die ich ihm dann an dich gab.
Du ſollſt dich nicht in mir betrogen haben, ſprach er zu mir beym Abſchied: ſolche Menſchen, wie wir, muͤſſen einander ihr lebenlang helfen.“
Die Maͤnner, die ihre ſchoͤnen jungen Wei- ber wieder bekamen, freuten ſich wenigſtens, daß ihnen Grund und Boden geblieben war;
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0209"n="203"/>
ne Furcht in der Gefangenſchaft, und ſeine Ge-<lb/>ſtalt war ſo ſchlank und edel in der wilden Farbe<lb/>
von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz<lb/>
gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beſchloß,<lb/>
alles moͤgliche anzuwenden, ihn von der Knecht-<lb/>ſchaft los zu machen, welches mir denn auch<lb/>
gluͤckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, ſchenkt<lb/>
ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn<lb/>
zu mir, wie wir von Bord traten; erklaͤrte ihm<lb/>ſeine Freyheit, woruͤber er mir an die Bruſt<lb/>
flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem<lb/>
Venezianiſchen Schiffe nach Konſtantinopel ab-<lb/>
fahren. Er bat mich vorher um meine Zuſchrift;<lb/>
die ich ihm dann an dich gab.</p><lb/><p>Du ſollſt dich nicht in mir betrogen haben,<lb/>ſprach er zu mir beym Abſchied: ſolche Menſchen,<lb/>
wie wir, muͤſſen einander ihr lebenlang helfen.“</p><lb/><p>Die Maͤnner, die ihre ſchoͤnen jungen Wei-<lb/>
ber wieder bekamen, freuten ſich wenigſtens,<lb/>
daß ihnen Grund und Boden geblieben war;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[203/0209]
ne Furcht in der Gefangenſchaft, und ſeine Ge-
ſtalt war ſo ſchlank und edel in der wilden Farbe
von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz
gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beſchloß,
alles moͤgliche anzuwenden, ihn von der Knecht-
ſchaft los zu machen, welches mir denn auch
gluͤckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, ſchenkt
ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn
zu mir, wie wir von Bord traten; erklaͤrte ihm
ſeine Freyheit, woruͤber er mir an die Bruſt
flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem
Venezianiſchen Schiffe nach Konſtantinopel ab-
fahren. Er bat mich vorher um meine Zuſchrift;
die ich ihm dann an dich gab.
Du ſollſt dich nicht in mir betrogen haben,
ſprach er zu mir beym Abſchied: ſolche Menſchen,
wie wir, muͤſſen einander ihr lebenlang helfen.“
Die Maͤnner, die ihre ſchoͤnen jungen Wei-
ber wieder bekamen, freuten ſich wenigſtens,
daß ihnen Grund und Boden geblieben war;
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/209>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.