Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

ne Furcht in der Gefangenschaft, und seine Ge-
stalt war so schlank und edel in der wilden Farbe
von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz
gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beschloß,
alles mögliche anzuwenden, ihn von der Knecht-
schaft los zu machen, welches mir denn auch
glückte; noch ehe wir zu Genua einliefen, schenkt
ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn
zu mir, wie wir von Bord traten; erklärte ihm
seine Freyheit, worüber er mir an die Brust
flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem
Venezianischen Schiffe nach Konstantinopel ab-
fahren. Er bat mich vorher um meine Zuschrift;
die ich ihm dann an dich gab.

Du sollst dich nicht in mir betrogen haben,
sprach er zu mir beym Abschied: solche Menschen,
wie wir, müssen einander ihr lebenlang helfen."

Die Männer, die ihre schönen jungen Wei-
ber wieder bekamen, freuten sich wenigstens,
daß ihnen Grund und Boden geblieben war;

und

ne Furcht in der Gefangenſchaft, und ſeine Ge-
ſtalt war ſo ſchlank und edel in der wilden Farbe
von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz
gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beſchloß,
alles moͤgliche anzuwenden, ihn von der Knecht-
ſchaft los zu machen, welches mir denn auch
gluͤckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, ſchenkt
ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn
zu mir, wie wir von Bord traten; erklaͤrte ihm
ſeine Freyheit, woruͤber er mir an die Bruſt
flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem
Venezianiſchen Schiffe nach Konſtantinopel ab-
fahren. Er bat mich vorher um meine Zuſchrift;
die ich ihm dann an dich gab.

Du ſollſt dich nicht in mir betrogen haben,
ſprach er zu mir beym Abſchied: ſolche Menſchen,
wie wir, muͤſſen einander ihr lebenlang helfen.“

Die Maͤnner, die ihre ſchoͤnen jungen Wei-
ber wieder bekamen, freuten ſich wenigſtens,
daß ihnen Grund und Boden geblieben war;

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0209" n="203"/>
ne Furcht in der Gefangen&#x017F;chaft, und &#x017F;eine Ge-<lb/>
&#x017F;talt war &#x017F;o &#x017F;chlank und edel in der wilden Farbe<lb/>
von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz<lb/>
gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich be&#x017F;chloß,<lb/>
alles mo&#x0364;gliche anzuwenden, ihn von der Knecht-<lb/>
&#x017F;chaft los zu machen, welches mir denn auch<lb/>
glu&#x0364;ckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, &#x017F;chenkt<lb/>
ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn<lb/>
zu mir, wie wir von Bord traten; erkla&#x0364;rte ihm<lb/>
&#x017F;eine Freyheit, woru&#x0364;ber er mir an die Bru&#x017F;t<lb/>
flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem<lb/>
Veneziani&#x017F;chen Schiffe nach Kon&#x017F;tantinopel ab-<lb/>
fahren. Er bat mich vorher um meine Zu&#x017F;chrift;<lb/>
die ich ihm dann an dich gab.</p><lb/>
        <p>Du &#x017F;oll&#x017F;t dich nicht in mir betrogen haben,<lb/>
&#x017F;prach er zu mir beym Ab&#x017F;chied: &#x017F;olche Men&#x017F;chen,<lb/>
wie wir, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en einander ihr lebenlang helfen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Ma&#x0364;nner, die ihre &#x017F;cho&#x0364;nen jungen Wei-<lb/>
ber wieder bekamen, freuten &#x017F;ich wenig&#x017F;tens,<lb/>
daß ihnen Grund und Boden geblieben war;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0209] ne Furcht in der Gefangenſchaft, und ſeine Ge- ſtalt war ſo ſchlank und edel in der wilden Farbe von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz gegen ihn von Zuneigung wallte. Ich beſchloß, alles moͤgliche anzuwenden, ihn von der Knecht- ſchaft los zu machen, welches mir denn auch gluͤckte; noch ehe wir zu Genua einliefen, ſchenkt ihn mir Doria zur Belohnung. Ich nahm ihn zu mir, wie wir von Bord traten; erklaͤrte ihm ſeine Freyheit, woruͤber er mir an die Bruſt flog, und ließ ihn wenig Tage darauf mit einem Venezianiſchen Schiffe nach Konſtantinopel ab- fahren. Er bat mich vorher um meine Zuſchrift; die ich ihm dann an dich gab. Du ſollſt dich nicht in mir betrogen haben, ſprach er zu mir beym Abſchied: ſolche Menſchen, wie wir, muͤſſen einander ihr lebenlang helfen.“ Die Maͤnner, die ihre ſchoͤnen jungen Wei- ber wieder bekamen, freuten ſich wenigſtens, daß ihnen Grund und Boden geblieben war; und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/209
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/209>, abgerufen am 25.11.2024.