die von einem Manne von Geist und Welt verlan- gen, daß er ein Schmierer, wie Sie, seyn soll, eh er über ein Gemählde urtheilen will: das komische Approbatum sogar, welches die teutschen Roß- täuscher an die Pferde vor der Markuskirche mit ihren Namen schrieben, gilt mir zum Exem- pel mehr hier, als jener ganzer Troß; in Stu- tereyen gebohren und erzogen, fühlten sie die herr- liche lebendige Pferdsnatur, und wie jeder von den vier jungen muthigen Hengsten seinen eigenen Charakter hat, die Vortreflichkeit ihrer Köpfe, und wie sie schnauben und ungeduldig sind, daß sie im Zügel gehalten werden, lernt man durch kein bloßes Gekritzel von Zeichnung. Selbst der größte Mahler, der immer auf festem Lande leb- te, kan über kein Seestück urtheilen; und der erste beste Sultan, der liebt, und noch Kraft in den Adern hat, darf eher sprechen aus seinem Serail über eine nackende Venus von unserm Al- ten, als der fromme Fra Bartolommeo."
"Wahr!
die von einem Manne von Geiſt und Welt verlan- gen, daß er ein Schmierer, wie Sie, ſeyn ſoll, eh er uͤber ein Gemaͤhlde urtheilen will: das komiſche Approbatum ſogar, welches die teutſchen Roß- taͤuſcher an die Pferde vor der Markuskirche mit ihren Namen ſchrieben, gilt mir zum Exem- pel mehr hier, als jener ganzer Troß; in Stu- tereyen gebohren und erzogen, fuͤhlten ſie die herr- liche lebendige Pferdsnatur, und wie jeder von den vier jungen muthigen Hengſten ſeinen eigenen Charakter hat, die Vortreflichkeit ihrer Koͤpfe, und wie ſie ſchnauben und ungeduldig ſind, daß ſie im Zuͤgel gehalten werden, lernt man durch kein bloßes Gekritzel von Zeichnung. Selbſt der groͤßte Mahler, der immer auf feſtem Lande leb- te, kan uͤber kein Seeſtuͤck urtheilen; und der erſte beſte Sultan, der liebt, und noch Kraft in den Adern hat, darf eher ſprechen aus ſeinem Serail uͤber eine nackende Venus von unſerm Al- ten, als der fromme Fra Bartolommeo.“
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die von einem Manne von Geiſt und Welt verlan-
gen, daß er ein Schmierer, wie Sie, ſeyn ſoll, eh er
uͤber ein Gemaͤhlde urtheilen will: das komiſche
Approbatum ſogar, welches die teutſchen Roß-
taͤuſcher an die Pferde vor der Markuskirche
mit ihren Namen ſchrieben, gilt mir zum Exem-
pel mehr hier, als jener ganzer Troß; in Stu-
tereyen gebohren und erzogen, fuͤhlten ſie die herr-
liche lebendige Pferdsnatur, und wie jeder von
den vier jungen muthigen Hengſten ſeinen eigenen
Charakter hat, die Vortreflichkeit ihrer Koͤpfe,
und wie ſie ſchnauben und ungeduldig ſind, daß
ſie im Zuͤgel gehalten werden, lernt man durch
kein bloßes Gekritzel von Zeichnung. Selbſt der
groͤßte Mahler, der immer auf feſtem Lande leb-
te, kan uͤber kein Seeſtuͤck urtheilen; und der
erſte beſte Sultan, der liebt, und noch Kraft in
den Adern hat, darf eher ſprechen aus ſeinem
Serail uͤber eine nackende Venus von unſerm Al-
ten, als der fromme Fra Bartolommeo.“
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/19>, abgerufen am 24.11.2024.
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