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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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Reimer aus dem Stegreife weit und breit,
und er zog als ein solcher im Lande her-
um und ergötzte die Leute. Seine Frau war
früh gestorben, und seine einzige Tochter gab er
vor wenig Jahren einem wackern Landmann zur
Ehe, der hier ein Gut gepachtet hatte, und bey
dem er sich meistens aufhielt. Die Wirthschaft
war wirklich aus der goldnen Zeit, wie ich her-
nach mit Vergnügen erfuhr.

Ich sagte ihm, daß ich schier eben so die
Mahlerey triebe, wie er ehemals die Baukunst.
Dieß freute ihn denn von Herzen; er faßte mei-
nen jungen Kopf und streckte ihn in seinen grauen
Bart hinein, und küßte mich über und über: ergriff
alsdenn das Saitenspiel, und sang mit einer
Schwärmerey das Lob der Dichtkunst, wie ein
wahrer Priester des Apollo, daß ich mich vor
Lust nicht regte. Das halbe Dorf kam zusam-
men, und girrte vor den ofnen Thüren und Fen-
stern leisen Beyfall. Und als er endigte, schien

das

Reimer aus dem Stegreife weit und breit,
und er zog als ein ſolcher im Lande her-
um und ergoͤtzte die Leute. Seine Frau war
fruͤh geſtorben, und ſeine einzige Tochter gab er
vor wenig Jahren einem wackern Landmann zur
Ehe, der hier ein Gut gepachtet hatte, und bey
dem er ſich meiſtens aufhielt. Die Wirthſchaft
war wirklich aus der goldnen Zeit, wie ich her-
nach mit Vergnuͤgen erfuhr.

Ich ſagte ihm, daß ich ſchier eben ſo die
Mahlerey triebe, wie er ehemals die Baukunſt.
Dieß freute ihn denn von Herzen; er faßte mei-
nen jungen Kopf und ſtreckte ihn in ſeinen grauen
Bart hinein, und kuͤßte mich uͤber und uͤber: ergriff
alsdenn das Saitenſpiel, und ſang mit einer
Schwaͤrmerey das Lob der Dichtkunſt, wie ein
wahrer Prieſter des Apollo, daß ich mich vor
Luſt nicht regte. Das halbe Dorf kam zuſam-
men, und girrte vor den ofnen Thuͤren und Fen-
ſtern leiſen Beyfall. Und als er endigte, ſchien

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[176/0182] Reimer aus dem Stegreife weit und breit, und er zog als ein ſolcher im Lande her- um und ergoͤtzte die Leute. Seine Frau war fruͤh geſtorben, und ſeine einzige Tochter gab er vor wenig Jahren einem wackern Landmann zur Ehe, der hier ein Gut gepachtet hatte, und bey dem er ſich meiſtens aufhielt. Die Wirthſchaft war wirklich aus der goldnen Zeit, wie ich her- nach mit Vergnuͤgen erfuhr. Ich ſagte ihm, daß ich ſchier eben ſo die Mahlerey triebe, wie er ehemals die Baukunſt. Dieß freute ihn denn von Herzen; er faßte mei- nen jungen Kopf und ſtreckte ihn in ſeinen grauen Bart hinein, und kuͤßte mich uͤber und uͤber: ergriff alsdenn das Saitenſpiel, und ſang mit einer Schwaͤrmerey das Lob der Dichtkunſt, wie ein wahrer Prieſter des Apollo, daß ich mich vor Luſt nicht regte. Das halbe Dorf kam zuſam- men, und girrte vor den ofnen Thuͤren und Fen- ſtern leiſen Beyfall. Und als er endigte, ſchien das

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/182>, abgerufen am 22.11.2024.