Heine, Heinrich. Deutschland. Ein Wintermährchen. In: Ders.: Neue Gedichte, 1. Auflage. Hamburg, 1844.Die Fahne stäubte er gleichfalls ab, Und er sprach: "mein größter Stolz ist, Daß noch keine Motte die Seide zerfraß, Und auch kein Wurm im Holz ist." Und als wir kamen in den Saal, Wo schlafend am Boden liegen Viel tausend Krieger, kampfbereit, Der Alte sprach mit Vergnügen: "Hier müssen wir leiser reden und gehn, Damit wir nicht wecken die Leute; Wieder verflossen sind hundert Jahr Und Löhnungstag ist heute." Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht Den schlafenden Soldaten, Und steckte heimlich in die Tasch' Jedwedem einen Dukaten. Die Fahne stäubte er gleichfalls ab, Und er sprach: „mein größter Stolz ist, Daß noch keine Motte die Seide zerfraß, Und auch kein Wurm im Holz ist.“ Und als wir kamen in den Saal, Wo schlafend am Boden liegen Viel tausend Krieger, kampfbereit, Der Alte sprach mit Vergnügen: „Hier müssen wir leiser reden und gehn, Damit wir nicht wecken die Leute; Wieder verflossen sind hundert Jahr Und Löhnungstag ist heute.“ Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht Den schlafenden Soldaten, Und steckte heimlich in die Tasch’ Jedwedem einen Dukaten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0074" n="350"/> <lg type="poem"> <lg> <l>Die Fahne stäubte er gleichfalls ab,</l><lb/> <l>Und er sprach: „mein größter Stolz ist,</l><lb/> <l>Daß noch keine Motte die Seide zerfraß,</l><lb/> <l>Und auch kein Wurm im Holz ist.“</l><lb/> </lg> <lg> <l>Und als wir kamen in den Saal,</l><lb/> <l>Wo schlafend am Boden liegen</l><lb/> <l>Viel tausend Krieger, kampfbereit,</l><lb/> <l>Der Alte sprach mit Vergnügen:</l><lb/> </lg> <lg> <l>„Hier müssen wir leiser reden und gehn,</l><lb/> <l>Damit wir nicht wecken die Leute;</l><lb/> <l>Wieder verflossen sind hundert Jahr</l><lb/> <l>Und Löhnungstag ist heute.“</l><lb/> </lg> <lg> <l>Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht</l><lb/> <l>Den schlafenden Soldaten,</l><lb/> <l>Und steckte heimlich in die Tasch’</l><lb/> <l>Jedwedem einen Dukaten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [350/0074]
Die Fahne stäubte er gleichfalls ab,
Und er sprach: „mein größter Stolz ist,
Daß noch keine Motte die Seide zerfraß,
Und auch kein Wurm im Holz ist.“
Und als wir kamen in den Saal,
Wo schlafend am Boden liegen
Viel tausend Krieger, kampfbereit,
Der Alte sprach mit Vergnügen:
„Hier müssen wir leiser reden und gehn,
Damit wir nicht wecken die Leute;
Wieder verflossen sind hundert Jahr
Und Löhnungstag ist heute.“
Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht
Den schlafenden Soldaten,
Und steckte heimlich in die Tasch’
Jedwedem einen Dukaten.
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Zitationshilfe: | Heine, Heinrich. Deutschland. Ein Wintermährchen. In: Ders.: Neue Gedichte, 1. Auflage. Hamburg, 1844, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen1_1844/74>, abgerufen am 22.07.2024. |