Heine, Heinrich: [Rezension:] Die deutsche Literatur von Wolfgang Menzel. 2 Theile. Stuttgart, bei Gebrüder Frankh. 1828. In: Neue allgemeine politische Annalen, Band 27, Heft 3 (1828), S. 284–298.Witzart, eine Verknüpfung von Gedanken, die sich noch nie in "Universalität ist der Charakter unserer Zeit," sagt Witzart, eine Verknüpfung von Gedanken, die ſich noch nie in „Univerſalität iſt der Charakter unſerer Zeit,“ ſagt <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0007" n="289"/> Witzart, eine Verknüpfung von Gedanken, die ſich noch nie in<lb/> einem Menſchenkopfe begegnet, eine wilde Ehe zwiſchen Scherz<lb/> und Weisheit, iſt vorherrſchend in dem Menzelſchen Werke.<lb/> Nochmals rühmen wir des Vfrs. Witz, um ſo mehr, da es<lb/> viele trockene Leute in der Welt gibt, die den Witz gern pro-<lb/> ſcribiren möchten, und man täglich hören kann, wie Pantalon<lb/> ſich gegen dieſe niedrigſte Seelenkraft, den Witz, zu ereifern<lb/> weiß, und als guter Staatsbürger und Hausvater die Polizei<lb/> auffordert ihn zu verbieten. Mag immerhin der Witz zu den<lb/> niedrigſten Seelenkräften gehören, ſo glauben wir doch, daß<lb/> er ſein Gutes hat. Wir wenigſtens möchten ihn nicht ent-<lb/> behren. Seitdem es nicht mehr Sitte iſt, einen Degen an<lb/> der Seite zu tragen, iſt es durchaus nöthig, daß man Witz<lb/> im Kopfe habe. Und ſollte man auch ſo überlaunig ſeyn,<lb/> den Witz nicht blos als nothwendige Wehr, ſondern ſogar als<lb/> Angriffswaffe zu gebrauchen, ſo werdet darüber nicht allzu<lb/> ſehr aufgebracht, Jhr edlen Pantalone des deutſchen Vater-<lb/> landes! Jener Angriffswitz, den Jhr Satyre nennt, hat<lb/> ſeinen guten Nutzen in dieſer ſchlechten, nichtsnutzigen Zeit.<lb/> Keine Religion iſt mehr im Stande, die Lüſte der kleinen<lb/> Erdenherrſcher zu zügeln, ſie verhöhnen Euch ungeſtraft und<lb/> ihre Roſſe zertreten Eure Saaten, Eure Töchter hungern<lb/> und verkaufen ihre Blüthen dem ſchmutzigen Parvenü, alle<lb/> Roſen dieſer Welt werden die Beute eines windigen Ge-<lb/> ſchlechtes von Stokjobbern und bevorrechteten Lakayen, und<lb/> vor dem Uebermuth des Reichthums und der Gewalt ſchüzt<lb/> Euch nichts – als der Tod und die Satyre.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#g">Univerſalität</hi> iſt der Charakter unſerer Zeit,“ ſagt<lb/> Herr Menzel im zweiten Theile S. 63. ſeines Werkes, und<lb/> da dieſes Leztere, wie wir oben bemerkt, ganz den Charakter<lb/> unſerer Zeit trägt, ſo finden wir darin auch ein Streben nach<lb/> jener Univerſalität. Daher ein Verbreiten über alle Rich-<lb/> tungen des Lebens und des Wiſſens, und zwar unter folgen-<lb/> den Rubriken: „die Maſſe der Literatur, Nationalität, Einfluß </p> </div> </body> </text> </TEI> [289/0007]
Witzart, eine Verknüpfung von Gedanken, die ſich noch nie in
einem Menſchenkopfe begegnet, eine wilde Ehe zwiſchen Scherz
und Weisheit, iſt vorherrſchend in dem Menzelſchen Werke.
Nochmals rühmen wir des Vfrs. Witz, um ſo mehr, da es
viele trockene Leute in der Welt gibt, die den Witz gern pro-
ſcribiren möchten, und man täglich hören kann, wie Pantalon
ſich gegen dieſe niedrigſte Seelenkraft, den Witz, zu ereifern
weiß, und als guter Staatsbürger und Hausvater die Polizei
auffordert ihn zu verbieten. Mag immerhin der Witz zu den
niedrigſten Seelenkräften gehören, ſo glauben wir doch, daß
er ſein Gutes hat. Wir wenigſtens möchten ihn nicht ent-
behren. Seitdem es nicht mehr Sitte iſt, einen Degen an
der Seite zu tragen, iſt es durchaus nöthig, daß man Witz
im Kopfe habe. Und ſollte man auch ſo überlaunig ſeyn,
den Witz nicht blos als nothwendige Wehr, ſondern ſogar als
Angriffswaffe zu gebrauchen, ſo werdet darüber nicht allzu
ſehr aufgebracht, Jhr edlen Pantalone des deutſchen Vater-
landes! Jener Angriffswitz, den Jhr Satyre nennt, hat
ſeinen guten Nutzen in dieſer ſchlechten, nichtsnutzigen Zeit.
Keine Religion iſt mehr im Stande, die Lüſte der kleinen
Erdenherrſcher zu zügeln, ſie verhöhnen Euch ungeſtraft und
ihre Roſſe zertreten Eure Saaten, Eure Töchter hungern
und verkaufen ihre Blüthen dem ſchmutzigen Parvenü, alle
Roſen dieſer Welt werden die Beute eines windigen Ge-
ſchlechtes von Stokjobbern und bevorrechteten Lakayen, und
vor dem Uebermuth des Reichthums und der Gewalt ſchüzt
Euch nichts – als der Tod und die Satyre.
„Univerſalität iſt der Charakter unſerer Zeit,“ ſagt
Herr Menzel im zweiten Theile S. 63. ſeines Werkes, und
da dieſes Leztere, wie wir oben bemerkt, ganz den Charakter
unſerer Zeit trägt, ſo finden wir darin auch ein Streben nach
jener Univerſalität. Daher ein Verbreiten über alle Rich-
tungen des Lebens und des Wiſſens, und zwar unter folgen-
den Rubriken: „die Maſſe der Literatur, Nationalität, Einfluß
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Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription.
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