Heine, Heinrich: [Rezension:] Die deutsche Literatur von Wolfgang Menzel. 2 Theile. Stuttgart, bei Gebrüder Frankh. 1828. In: Neue allgemeine politische Annalen, Band 27, Heft 3 (1828), S. 284–298.Regierung in einigen deutschen Staaten anerkannt, absonder- Regierung in einigen deutſchen Staaten anerkannt, abſonder- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0006" n="288"/> Regierung in einigen deutſchen Staaten anerkannt, abſonder-<lb/> lich in Preußen, wo die Namen Humbold, Hegel, Bopp,<lb/> A. W. Schlegel, Schleiermacher etc. in sſolcher Hinſicht am<lb/> schönſten glänzen. Daſſelbe Streben hat ſich, zumeiſt durch<lb/> Einwirkung ſolcher deutſchen Gelehrten, nach Frankreich ver-<lb/> breitet; auch hier erkennt man, daß alles Wiſſen einen Werth<lb/> an und für ſich hat, daß es nicht wegen der augenblicklichen<lb/> Nützlichkeit kultivirt werden ſoll, ſondern damit es ſeinen<lb/> Platz finde in dem Gedankenreiche, das wir, als das beſte<lb/> Erbtheil, den folgenden Geſchlechtern überliefern werden.<lb/> Herr Menzel iſt mehr ein encyklopädiſcher Kopf als ein<lb/> ſynthetiſch wiſſenschaftlicher. Da ihn aber ſein Willen zur<lb/> Wiſſenſchaftlichkeit drängt, ſo finden wir in ſeinem Buche eine<lb/> ſeltſame Vereinigung ſeiner Naturanlage mit ſeinem vorge-<lb/> faßten Streben. Die Gegenſtände entſteigen daher nicht aus<lb/> einem einzigen innerſten Prinzip, ſie werden vielmehr nach<lb/> einem geisſtreichen Schematismus einzeln abgehandelt, aber<lb/> doch ergänzend, ſo daß das Buch ein ſchönes, gerundetes<lb/> Ganze Ganze bildet.<lb/> Jn dieſer Hinſicht gewinnt vielleicht das Buch für das<lb/> große Publikum, dem die Ueberſicht erleichtert wird, und<lb/> das auf jeder Seite etwas Geisſtreiches, Tiefgedachtes und An-<lb/> ziehendes findet, welches nicht erſt auf ein leztes Prinzip be-<lb/> zogen werden muß, ſondern an und für ſich ſchon ſeinen voll-<lb/> gültigen Werth hat. Der Witz, den man in Menzelſchen<lb/> Geiſtesprodukten zu ſuchen berechtigt iſt, wird durchaus nicht<lb/> vermißt, er erſcheint um ſo würdiger, da er nicht mit ſich ſelbst<lb/> kokettirt, ſondern nur der Sache wegen hervortritt – ob-<lb/> gleich ſich nicht läugnen läßt, daß er Herrn Menzel oft dazu<lb/> dienen muß, die Lücken ſeines Wiſſens zu ſtopfen. H. M.<lb/> iſt unſtreitig einer der witzigſten Schriftſteller Deutſchlands,<lb/> er kann ſeine Natur nicht verläugnen, und möchte er auch,<lb/> alle witzigen Einfälle ablehnend, in einem ſteifen Perückentone<lb/> doziren, ſo überraſcht ihn wenigſtens der Jdeenwitz, und dieſe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [288/0006]
Regierung in einigen deutſchen Staaten anerkannt, abſonder-
lich in Preußen, wo die Namen Humbold, Hegel, Bopp,
A. W. Schlegel, Schleiermacher etc. in sſolcher Hinſicht am
schönſten glänzen. Daſſelbe Streben hat ſich, zumeiſt durch
Einwirkung ſolcher deutſchen Gelehrten, nach Frankreich ver-
breitet; auch hier erkennt man, daß alles Wiſſen einen Werth
an und für ſich hat, daß es nicht wegen der augenblicklichen
Nützlichkeit kultivirt werden ſoll, ſondern damit es ſeinen
Platz finde in dem Gedankenreiche, das wir, als das beſte
Erbtheil, den folgenden Geſchlechtern überliefern werden.
Herr Menzel iſt mehr ein encyklopädiſcher Kopf als ein
ſynthetiſch wiſſenschaftlicher. Da ihn aber ſein Willen zur
Wiſſenſchaftlichkeit drängt, ſo finden wir in ſeinem Buche eine
ſeltſame Vereinigung ſeiner Naturanlage mit ſeinem vorge-
faßten Streben. Die Gegenſtände entſteigen daher nicht aus
einem einzigen innerſten Prinzip, ſie werden vielmehr nach
einem geisſtreichen Schematismus einzeln abgehandelt, aber
doch ergänzend, ſo daß das Buch ein ſchönes, gerundetes
Ganze Ganze bildet.
Jn dieſer Hinſicht gewinnt vielleicht das Buch für das
große Publikum, dem die Ueberſicht erleichtert wird, und
das auf jeder Seite etwas Geisſtreiches, Tiefgedachtes und An-
ziehendes findet, welches nicht erſt auf ein leztes Prinzip be-
zogen werden muß, ſondern an und für ſich ſchon ſeinen voll-
gültigen Werth hat. Der Witz, den man in Menzelſchen
Geiſtesprodukten zu ſuchen berechtigt iſt, wird durchaus nicht
vermißt, er erſcheint um ſo würdiger, da er nicht mit ſich ſelbst
kokettirt, ſondern nur der Sache wegen hervortritt – ob-
gleich ſich nicht läugnen läßt, daß er Herrn Menzel oft dazu
dienen muß, die Lücken ſeines Wiſſens zu ſtopfen. H. M.
iſt unſtreitig einer der witzigſten Schriftſteller Deutſchlands,
er kann ſeine Natur nicht verläugnen, und möchte er auch,
alle witzigen Einfälle ablehnend, in einem ſteifen Perückentone
doziren, ſo überraſcht ihn wenigſtens der Jdeenwitz, und dieſe
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