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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Indessen, die alten Freskos, die zwischen den
rothen Decken der Wände zum Vorschein kamen,
vermochten einigermaßen mit ihrem inwohnenden
Ernste die brittische Spottlust abzuwehren. Es
waren darauf Gesichter aus jener heldenmüthigen
Zeit Lukkas, wovon in den Geschichtsbüchern
Machiavells, des romantischen Sallusts, so viel
die Rede ist, und deren Geist uns aus den Ge¬
sängen Dantes, des katholischen Homers, so feu¬
rig entgegenweht. Wohl sprechen aus jenen Mie¬
nen die strengen Gefühle und barbarischen Gedan¬
ken des Mittelalters; wenn auch auf manchem
stummen Jünglingsmunde das lächelnde Bekennt¬
niß schwebt, daß damals nicht alle Rosen so ganz
steinern und umflort gewesen sind, und wenn auch
durch die fromm gesenkten Augenwimpern mancher
Madonna aus jener Zeit ein so schalkhafter Lie¬
beswink blinzelt, als ob sie uns gern noch ein
zweites Christkindlein schenken möchte. Jedenfalls
ist es aber ein hoher Geist, der uns aus jenen

Indeſſen, die alten Freskos, die zwiſchen den
rothen Decken der Waͤnde zum Vorſchein kamen,
vermochten einigermaßen mit ihrem inwohnenden
Ernſte die brittiſche Spottluſt abzuwehren. Es
waren darauf Geſichter aus jener heldenmuͤthigen
Zeit Lukkas, wovon in den Geſchichtsbuͤchern
Machiavells, des romantiſchen Salluſts, ſo viel
die Rede iſt, und deren Geiſt uns aus den Ge¬
ſaͤngen Dantes, des katholiſchen Homers, ſo feu¬
rig entgegenweht. Wohl ſprechen aus jenen Mie¬
nen die ſtrengen Gefuͤhle und barbariſchen Gedan¬
ken des Mittelalters; wenn auch auf manchem
ſtummen Juͤnglingsmunde das laͤchelnde Bekennt¬
niß ſchwebt, daß damals nicht alle Roſen ſo ganz
ſteinern und umflort geweſen ſind, und wenn auch
durch die fromm geſenkten Augenwimpern mancher
Madonna aus jener Zeit ein ſo ſchalkhafter Lie¬
beswink blinzelt, als ob ſie uns gern noch ein
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[56/0070] Indeſſen, die alten Freskos, die zwiſchen den rothen Decken der Waͤnde zum Vorſchein kamen, vermochten einigermaßen mit ihrem inwohnenden Ernſte die brittiſche Spottluſt abzuwehren. Es waren darauf Geſichter aus jener heldenmuͤthigen Zeit Lukkas, wovon in den Geſchichtsbuͤchern Machiavells, des romantiſchen Salluſts, ſo viel die Rede iſt, und deren Geiſt uns aus den Ge¬ ſaͤngen Dantes, des katholiſchen Homers, ſo feu¬ rig entgegenweht. Wohl ſprechen aus jenen Mie¬ nen die ſtrengen Gefuͤhle und barbariſchen Gedan¬ ken des Mittelalters; wenn auch auf manchem ſtummen Juͤnglingsmunde das laͤchelnde Bekennt¬ niß ſchwebt, daß damals nicht alle Roſen ſo ganz ſteinern und umflort geweſen ſind, und wenn auch durch die fromm geſenkten Augenwimpern mancher Madonna aus jener Zeit ein ſo ſchalkhafter Lie¬ beswink blinzelt, als ob ſie uns gern noch ein zweites Chriſtkindlein ſchenken moͤchte. Jedenfalls iſt es aber ein hoher Geiſt, der uns aus jenen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/70>, abgerufen am 27.04.2024.