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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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sie mir die Thüre vor der Nase zu. Vergebens
stand ich draußen noch eine ganze Stunde, und
bat um Einlaß, und seufzte alle möglichen Seuf¬
zer, und heuchelte fromme Thränen, und schwor
die heiligsten Eide -- versteht sich, mit geistlichem
Vorbehalte, ich fühlte wie ich allmählig ein Jesuit
wurde, ich wurde ganz schlecht und erbot mich
endlich sogar, katholisch zu werden für diese einzige
Nacht --

Franscheska! rief ich, Stern meiner Gedan¬
ken! Gedanke meiner Seele! vita della mia vita!
meine schöne, oftgeküßte, schlanke, katholische
Franscheska! für diese einzige Nacht, die du mir
noch gewährst, will ich selbst katholisch werden --
aber auch nur für diese einzige Nacht! O, die
schöne, seelige, katholische Nacht! Ich liege in
deinen Armen, strengkatholisch glaube ich an den
Himmel deiner Liebe, von den Lippen küssen wir
uns das holde Bekenntniß, das Wort wird Fleisch,
der Glaube wird versinnlicht, in Form und Ge¬

ſie mir die Thuͤre vor der Naſe zu. Vergebens
ſtand ich draußen noch eine ganze Stunde, und
bat um Einlaß, und ſeufzte alle moͤglichen Seuf¬
zer, und heuchelte fromme Thraͤnen, und ſchwor
die heiligſten Eide — verſteht ſich, mit geiſtlichem
Vorbehalte, ich fuͤhlte wie ich allmaͤhlig ein Jeſuit
wurde, ich wurde ganz ſchlecht und erbot mich
endlich ſogar, katholiſch zu werden fuͤr dieſe einzige
Nacht —

Franſcheska! rief ich, Stern meiner Gedan¬
ken! Gedanke meiner Seele! vita della mia vita!
meine ſchoͤne, oftgekuͤßte, ſchlanke, katholiſche
Franſcheska! fuͤr dieſe einzige Nacht, die du mir
noch gewaͤhrſt, will ich ſelbſt katholiſch werden —
aber auch nur fuͤr dieſe einzige Nacht! O, die
ſchoͤne, ſeelige, katholiſche Nacht! Ich liege in
deinen Armen, ſtrengkatholiſch glaube ich an den
Himmel deiner Liebe, von den Lippen kuͤſſen wir
uns das holde Bekenntniß, das Wort wird Fleiſch,
der Glaube wird verſinnlicht, in Form und Ge¬

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[50/0064] ſie mir die Thuͤre vor der Naſe zu. Vergebens ſtand ich draußen noch eine ganze Stunde, und bat um Einlaß, und ſeufzte alle moͤglichen Seuf¬ zer, und heuchelte fromme Thraͤnen, und ſchwor die heiligſten Eide — verſteht ſich, mit geiſtlichem Vorbehalte, ich fuͤhlte wie ich allmaͤhlig ein Jeſuit wurde, ich wurde ganz ſchlecht und erbot mich endlich ſogar, katholiſch zu werden fuͤr dieſe einzige Nacht — Franſcheska! rief ich, Stern meiner Gedan¬ ken! Gedanke meiner Seele! vita della mia vita! meine ſchoͤne, oftgekuͤßte, ſchlanke, katholiſche Franſcheska! fuͤr dieſe einzige Nacht, die du mir noch gewaͤhrſt, will ich ſelbſt katholiſch werden — aber auch nur fuͤr dieſe einzige Nacht! O, die ſchoͤne, ſeelige, katholiſche Nacht! Ich liege in deinen Armen, ſtrengkatholiſch glaube ich an den Himmel deiner Liebe, von den Lippen kuͤſſen wir uns das holde Bekenntniß, das Wort wird Fleiſch, der Glaube wird verſinnlicht, in Form und Ge¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/64>, abgerufen am 27.04.2024.