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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Ehrgeitz, Rückendarre, Reue, Hamorrhoiden, die
Herzwunden die uns vom Undank der Freunde,
von der Verläumdung der Feinde, und von der
eignen Sünde geschlagen worden, alles dieses und
noch viel mehr, was eben so leicht unter einer
groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack
seinen Platz zu finden weiß. O! es ist keine Ue¬
bertreibung, wenn der Poet in seinem Schmerze
ausruft: das Leben ist eine Krankheit, die ganze
Welt ein Lazareth!

"Und der Tod ist unser Arzt --" Ach! ich
will nichts böses von ihm reden, und nicht Andre
in ihrem Vertrauen stören; denn da er der einzige
Arzt ist, so mögen sie immerhin glauben er sey
auch der beste, und das einzige Mittel, das er
anwendet, seine ewige Erdkur, sey auch das beste.
Wenigstens kann man von ihm rühmen, daß er
immer gleich bey der Hand ist, und trotz seiner
großen Praxis nie lange auf sich warten läßt,
wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er seinen

Ehrgeitz, Ruͤckendarre, Reue, Hamorrhoiden, die
Herzwunden die uns vom Undank der Freunde,
von der Verlaͤumdung der Feinde, und von der
eignen Suͤnde geſchlagen worden, alles dieſes und
noch viel mehr, was eben ſo leicht unter einer
groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack
ſeinen Platz zu finden weiß. O! es iſt keine Ue¬
bertreibung, wenn der Poet in ſeinem Schmerze
ausruft: das Leben iſt eine Krankheit, die ganze
Welt ein Lazareth!

„Und der Tod iſt unſer Arzt —“ Ach! ich
will nichts boͤſes von ihm reden, und nicht Andre
in ihrem Vertrauen ſtoͤren; denn da er der einzige
Arzt iſt, ſo moͤgen ſie immerhin glauben er ſey
auch der beſte, und das einzige Mittel, das er
anwendet, ſeine ewige Erdkur, ſey auch das beſte.
Wenigſtens kann man von ihm ruͤhmen, daß er
immer gleich bey der Hand iſt, und trotz ſeiner
großen Praxis nie lange auf ſich warten laͤßt,
wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er ſeinen

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[39/0053] Ehrgeitz, Ruͤckendarre, Reue, Hamorrhoiden, die Herzwunden die uns vom Undank der Freunde, von der Verlaͤumdung der Feinde, und von der eignen Suͤnde geſchlagen worden, alles dieſes und noch viel mehr, was eben ſo leicht unter einer groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack ſeinen Platz zu finden weiß. O! es iſt keine Ue¬ bertreibung, wenn der Poet in ſeinem Schmerze ausruft: das Leben iſt eine Krankheit, die ganze Welt ein Lazareth! „Und der Tod iſt unſer Arzt —“ Ach! ich will nichts boͤſes von ihm reden, und nicht Andre in ihrem Vertrauen ſtoͤren; denn da er der einzige Arzt iſt, ſo moͤgen ſie immerhin glauben er ſey auch der beſte, und das einzige Mittel, das er anwendet, ſeine ewige Erdkur, ſey auch das beſte. Wenigſtens kann man von ihm ruͤhmen, daß er immer gleich bey der Hand iſt, und trotz ſeiner großen Praxis nie lange auf ſich warten laͤßt, wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er ſeinen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/53>, abgerufen am 27.04.2024.