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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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haus. So wahr und tief hatten sie die Gleich¬
heit begriffen. Noch heutigen Tags, in Franken
und Schwaben, schauen wir die Spuren dieser
Gleichheitslehre, und eine grauenhafte Ehrfurcht,
vor dem heiligen Geiste überschleicht den Wan¬
derer, wenn er im Mondschein die dunkeln Burg¬
trümmer sieht aus der Zeit des Bauernkriegs.
Wohl dem, der, nüchternen Sinns, nichts ande¬
res sieht, ist man aber ein Sonntagskind -- und
das ist jeder Geschichtskundige -- so sieht man
auch die hohe Jagd, die der deutsche Adel, der
roheste der Welt, gegen die Besiegten geübt, man
sieht wie tausendweis die Wehrlosen todtgeschlagen,
gefoltert, gespießt und gemartert wurden, und aus
den wogenden Kornfeldern sieht man sie geheim¬
nißvoll nicken die blutigen Bauernköpfe, und drü¬
ber hin hört man pfeifen eine entsetzliche Lerche,
rachegellend, wie der Pfeifer vom Helfenstein.

Etwas besser erging es den Brüdern in Eng¬

haus. So wahr und tief hatten ſie die Gleich¬
heit begriffen. Noch heutigen Tags, in Franken
und Schwaben, ſchauen wir die Spuren dieſer
Gleichheitslehre, und eine grauenhafte Ehrfurcht,
vor dem heiligen Geiſte uͤberſchleicht den Wan¬
derer, wenn er im Mondſchein die dunkeln Burg¬
truͤmmer ſieht aus der Zeit des Bauernkriegs.
Wohl dem, der, nuͤchternen Sinns, nichts ande¬
res ſieht, iſt man aber ein Sonntagskind — und
das iſt jeder Geſchichtskundige — ſo ſieht man
auch die hohe Jagd, die der deutſche Adel, der
roheſte der Welt, gegen die Beſiegten geuͤbt, man
ſieht wie tauſendweis die Wehrloſen todtgeſchlagen,
gefoltert, geſpießt und gemartert wurden, und aus
den wogenden Kornfeldern ſieht man ſie geheim¬
nißvoll nicken die blutigen Bauernkoͤpfe, und druͤ¬
ber hin hoͤrt man pfeifen eine entſetzliche Lerche,
rachegellend, wie der Pfeifer vom Helfenſtein.

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[302/0316] haus. So wahr und tief hatten ſie die Gleich¬ heit begriffen. Noch heutigen Tags, in Franken und Schwaben, ſchauen wir die Spuren dieſer Gleichheitslehre, und eine grauenhafte Ehrfurcht, vor dem heiligen Geiſte uͤberſchleicht den Wan¬ derer, wenn er im Mondſchein die dunkeln Burg¬ truͤmmer ſieht aus der Zeit des Bauernkriegs. Wohl dem, der, nuͤchternen Sinns, nichts ande¬ res ſieht, iſt man aber ein Sonntagskind — und das iſt jeder Geſchichtskundige — ſo ſieht man auch die hohe Jagd, die der deutſche Adel, der roheſte der Welt, gegen die Beſiegten geuͤbt, man ſieht wie tauſendweis die Wehrloſen todtgeſchlagen, gefoltert, geſpießt und gemartert wurden, und aus den wogenden Kornfeldern ſieht man ſie geheim¬ nißvoll nicken die blutigen Bauernkoͤpfe, und druͤ¬ ber hin hoͤrt man pfeifen eine entſetzliche Lerche, rachegellend, wie der Pfeifer vom Helfenſtein. Etwas beſſer erging es den Bruͤdern in Eng¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/316>, abgerufen am 21.11.2024.