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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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renes Recht. Da wurden nicht mehr alte Perga¬
mente, sondern Prinzipien vorgebracht; und der
Bauer in Deutschland und der Puritaner in Eng¬
land beriefen sich auf das Evangelium, dessen
Aussprüche damals an Vernunft Statt galten, ja
noch höher galten, nämlich als eine geoffenbarte
Vernunft Gottes. Da stand deutlich ausgespro¬
chen: daß die Menschen von gleich edler Geburt
sind, daß hochmüthiges Besserdünken verdammt
werden muß, daß der Reichthum eine Sünde
ist, und daß auch die Armen berufen sind zum
Genusse, in dem schönen Garten Gottes, des ge¬
meinsamen Vaters.

Mit der Bibel in der einen Hand und mit
dem Schwerte in der anderen, zogen die Bauern
durch das südliche Deutschland, und der üppigen
Bürgerschaft im hochgethürmten Nüremberg ließen
sie sagen: es solle künftig kein Haus im Reiche
stehen bleiben, das anders aussähe als ein Bauern¬

renes Recht. Da wurden nicht mehr alte Perga¬
mente, ſondern Prinzipien vorgebracht; und der
Bauer in Deutſchland und der Puritaner in Eng¬
land beriefen ſich auf das Evangelium, deſſen
Ausſpruͤche damals an Vernunft Statt galten, ja
noch hoͤher galten, naͤmlich als eine geoffenbarte
Vernunft Gottes. Da ſtand deutlich ausgeſpro¬
chen: daß die Menſchen von gleich edler Geburt
ſind, daß hochmuͤthiges Beſſerduͤnken verdammt
werden muß, daß der Reichthum eine Suͤnde
iſt, und daß auch die Armen berufen ſind zum
Genuſſe, in dem ſchoͤnen Garten Gottes, des ge¬
meinſamen Vaters.

Mit der Bibel in der einen Hand und mit
dem Schwerte in der anderen, zogen die Bauern
durch das ſuͤdliche Deutſchland, und der uͤppigen
Buͤrgerſchaft im hochgethuͤrmten Nuͤremberg ließen
ſie ſagen: es ſolle kuͤnftig kein Haus im Reiche
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[301/0315] renes Recht. Da wurden nicht mehr alte Perga¬ mente, ſondern Prinzipien vorgebracht; und der Bauer in Deutſchland und der Puritaner in Eng¬ land beriefen ſich auf das Evangelium, deſſen Ausſpruͤche damals an Vernunft Statt galten, ja noch hoͤher galten, naͤmlich als eine geoffenbarte Vernunft Gottes. Da ſtand deutlich ausgeſpro¬ chen: daß die Menſchen von gleich edler Geburt ſind, daß hochmuͤthiges Beſſerduͤnken verdammt werden muß, daß der Reichthum eine Suͤnde iſt, und daß auch die Armen berufen ſind zum Genuſſe, in dem ſchoͤnen Garten Gottes, des ge¬ meinſamen Vaters. Mit der Bibel in der einen Hand und mit dem Schwerte in der anderen, zogen die Bauern durch das ſuͤdliche Deutſchland, und der uͤppigen Buͤrgerſchaft im hochgethuͤrmten Nuͤremberg ließen ſie ſagen: es ſolle kuͤnftig kein Haus im Reiche ſtehen bleiben, das anders ausſaͤhe als ein Bauern¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/315>, abgerufen am 03.05.2024.