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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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genutzt, im Winkel eines trüben Abbatestübchens
zu Bologna.

Ich gehöre zu den Leuten, die immer gern
einen kürzeren Weg nehmen, als die Landstraße
bietet, und denen es alsdann wohl begegnet, daß
sie sich auf engen Holz- und Felsenpfaden verirren.
Das geschah auch hier, und ich habe, zu meiner
Reise nach Lukka, gewiß doppelt so viel Zeit ge¬
braucht als gewöhnliche Landstraßmenschen. Ein
Sperling, den ich um den Weg frug, zwitscherte
und zwitscherte, und konnte mir doch keinen rechten
Bescheid geben. Vielleicht auch wußte er ihn selbst
nicht. Den Schmetterlingen und Libellen, die auf
großen Glockenblumen saßen, konnte ich kein Wort
abgewinnen; sie waren schon davon geflattert, ehe
sie noch meine Fragen vernommen, und die Blu¬
men schüttelten ihre tonlosen Glockenhäupter. Manch¬
mal weckten mich die wilden Myrten, die, mit fei¬
nen Stimmchen, aus der Ferne kicherten. Hastig
erklomm ich dann die höchsten Felsenspitzen, und

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genutzt, im Winkel eines truͤben Abbateſtuͤbchens
zu Bologna.

Ich gehoͤre zu den Leuten, die immer gern
einen kuͤrzeren Weg nehmen, als die Landſtraße
bietet, und denen es alsdann wohl begegnet, daß
ſie ſich auf engen Holz- und Felſenpfaden verirren.
Das geſchah auch hier, und ich habe, zu meiner
Reiſe nach Lukka, gewiß doppelt ſo viel Zeit ge¬
braucht als gewoͤhnliche Landſtraßmenſchen. Ein
Sperling, den ich um den Weg frug, zwitſcherte
und zwitſcherte, und konnte mir doch keinen rechten
Beſcheid geben. Vielleicht auch wußte er ihn ſelbſt
nicht. Den Schmetterlingen und Libellen, die auf
großen Glockenblumen ſaßen, konnte ich kein Wort
abgewinnen; ſie waren ſchon davon geflattert, ehe
ſie noch meine Fragen vernommen, und die Blu¬
men ſchuͤttelten ihre tonloſen Glockenhaͤupter. Manch¬
mal weckten mich die wilden Myrten, die, mit fei¬
nen Stimmchen, aus der Ferne kicherten. Haſtig
erklomm ich dann die hoͤchſten Felſenſpitzen, und

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[17/0031] genutzt, im Winkel eines truͤben Abbateſtuͤbchens zu Bologna. Ich gehoͤre zu den Leuten, die immer gern einen kuͤrzeren Weg nehmen, als die Landſtraße bietet, und denen es alsdann wohl begegnet, daß ſie ſich auf engen Holz- und Felſenpfaden verirren. Das geſchah auch hier, und ich habe, zu meiner Reiſe nach Lukka, gewiß doppelt ſo viel Zeit ge¬ braucht als gewoͤhnliche Landſtraßmenſchen. Ein Sperling, den ich um den Weg frug, zwitſcherte und zwitſcherte, und konnte mir doch keinen rechten Beſcheid geben. Vielleicht auch wußte er ihn ſelbſt nicht. Den Schmetterlingen und Libellen, die auf großen Glockenblumen ſaßen, konnte ich kein Wort abgewinnen; ſie waren ſchon davon geflattert, ehe ſie noch meine Fragen vernommen, und die Blu¬ men ſchuͤttelten ihre tonloſen Glockenhaͤupter. Manch¬ mal weckten mich die wilden Myrten, die, mit fei¬ nen Stimmchen, aus der Ferne kicherten. Haſtig erklomm ich dann die hoͤchſten Felſenſpitzen, und 2

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/31>, abgerufen am 29.03.2024.