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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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bald, daß bey ihm jeder Satz in Form und
Gehalt weiter reicht, als die ganze Rede mancher
anderen Leute -- kommen sehr kalt und unsicher
hervor, und überhaupt so entfernt von der eigent¬
lichen Streitfrage, daß man nicht begreifen kann,
wie er sie darauf hinbiegen wird. Jeder dieser
Sätze, freylich, ist tief, klar, an und für sich
selbst befriedigend, sichtbar mit künstlicher Wahl
aus den gewähltesten Materialien deduzirt, und
mögen sie kommen aus welchem Fache des Wis¬
sens es immerhin seyn mag, so enthalten sie doch
dessen reinste Essenz. Man fühlt, daß sie alle
nach einer bestimmten Richtung hingebogen wer¬
den, und zwar hingebogen mit einer starken Kraft;
aber diese Kraft ist noch immer unsichtbar wie der
Wind, und wie von diesem, weiß man nicht wo¬
her sie kommt und wohin sie geht.

Wenn aber eine hinreichende Anzahl von die¬
sen Anfangssätzen vorausgeschickt sind, wenn jeder
Hülfssatz, den menschliche Wissenschaft zur Fest¬

bald, daß bey ihm jeder Satz in Form und
Gehalt weiter reicht, als die ganze Rede mancher
anderen Leute — kommen ſehr kalt und unſicher
hervor, und uͤberhaupt ſo entfernt von der eigent¬
lichen Streitfrage, daß man nicht begreifen kann,
wie er ſie darauf hinbiegen wird. Jeder dieſer
Saͤtze, freylich, iſt tief, klar, an und fuͤr ſich
ſelbſt befriedigend, ſichtbar mit kuͤnſtlicher Wahl
aus den gewaͤhlteſten Materialien deduzirt, und
moͤgen ſie kommen aus welchem Fache des Wiſ¬
ſens es immerhin ſeyn mag, ſo enthalten ſie doch
deſſen reinſte Eſſenz. Man fuͤhlt, daß ſie alle
nach einer beſtimmten Richtung hingebogen wer¬
den, und zwar hingebogen mit einer ſtarken Kraft;
aber dieſe Kraft iſt noch immer unſichtbar wie der
Wind, und wie von dieſem, weiß man nicht wo¬
her ſie kommt und wohin ſie geht.

Wenn aber eine hinreichende Anzahl von die¬
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[255/0269] bald, daß bey ihm jeder Satz in Form und Gehalt weiter reicht, als die ganze Rede mancher anderen Leute — kommen ſehr kalt und unſicher hervor, und uͤberhaupt ſo entfernt von der eigent¬ lichen Streitfrage, daß man nicht begreifen kann, wie er ſie darauf hinbiegen wird. Jeder dieſer Saͤtze, freylich, iſt tief, klar, an und fuͤr ſich ſelbſt befriedigend, ſichtbar mit kuͤnſtlicher Wahl aus den gewaͤhlteſten Materialien deduzirt, und moͤgen ſie kommen aus welchem Fache des Wiſ¬ ſens es immerhin ſeyn mag, ſo enthalten ſie doch deſſen reinſte Eſſenz. Man fuͤhlt, daß ſie alle nach einer beſtimmten Richtung hingebogen wer¬ den, und zwar hingebogen mit einer ſtarken Kraft; aber dieſe Kraft iſt noch immer unſichtbar wie der Wind, und wie von dieſem, weiß man nicht wo¬ her ſie kommt und wohin ſie geht. Wenn aber eine hinreichende Anzahl von die¬ ſen Anfangsſaͤtzen vorausgeſchickt ſind, wenn jeder Huͤlfsſatz, den menſchliche Wiſſenſchaft zur Feſt¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/269>, abgerufen am 28.11.2024.