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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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cheln, eben so freymüthig entgegnete, daß er mit
mir spräche, um sich in der französischen Sprache
zu üben.

Es ist auffallend, wie die Franzosen täglich
nachdenklicher, tiefer und ernster werden, in eben
dem Maaße, wie die Engländer dahin streben,
sich ein legeres, oberflächliches und heiteres We¬
sen anzueignen; wie im Leben selbst, so auch in
der Literatur. Die Londoner Pressen sind vollauf
beschäftigt mit fashionablen Schriften, mit Roma¬
nen, die sich in der glänzenden Sphäre des High
Life bewegen oder dasselbe abspiegeln, wie z. B.
Almalks, Vivian Grey, Tremaine, the Guards,
Flirtation, welcher letztere Roman die beste Bezeich¬
nung wäre für die ganze Gattung, für jene Ko¬
ketterie mit ausländischen Manieren und Redens¬
arten, jene plumpe Feinheit, schwerfällige Leichtig¬
keit, saure Süßeley, gezierte Rohheit, kurz für
das ganze unerquickliche Treiben jener hölzernen

cheln, eben ſo freymuͤthig entgegnete, daß er mit
mir ſpraͤche, um ſich in der franzoͤſiſchen Sprache
zu uͤben.

Es iſt auffallend, wie die Franzoſen taͤglich
nachdenklicher, tiefer und ernſter werden, in eben
dem Maaße, wie die Englaͤnder dahin ſtreben,
ſich ein legeres, oberflaͤchliches und heiteres We¬
ſen anzueignen; wie im Leben ſelbſt, ſo auch in
der Literatur. Die Londoner Preſſen ſind vollauf
beſchaͤftigt mit faſhionablen Schriften, mit Roma¬
nen, die ſich in der glaͤnzenden Sphaͤre des High
Life bewegen oder daſſelbe abſpiegeln, wie z. B.
Almalks, Vivian Grey, Tremaine, the Guards,
Flirtation, welcher letztere Roman die beſte Bezeich¬
nung waͤre fuͤr die ganze Gattung, fuͤr jene Ko¬
ketterie mit auslaͤndiſchen Manieren und Redens¬
arten, jene plumpe Feinheit, ſchwerfaͤllige Leichtig¬
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das ganze unerquickliche Treiben jener hoͤlzernen

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[172/0186] cheln, eben ſo freymuͤthig entgegnete, daß er mit mir ſpraͤche, um ſich in der franzoͤſiſchen Sprache zu uͤben. Es iſt auffallend, wie die Franzoſen taͤglich nachdenklicher, tiefer und ernſter werden, in eben dem Maaße, wie die Englaͤnder dahin ſtreben, ſich ein legeres, oberflaͤchliches und heiteres We¬ ſen anzueignen; wie im Leben ſelbſt, ſo auch in der Literatur. Die Londoner Preſſen ſind vollauf beſchaͤftigt mit faſhionablen Schriften, mit Roma¬ nen, die ſich in der glaͤnzenden Sphaͤre des High Life bewegen oder daſſelbe abſpiegeln, wie z. B. Almalks, Vivian Grey, Tremaine, the Guards, Flirtation, welcher letztere Roman die beſte Bezeich¬ nung waͤre fuͤr die ganze Gattung, fuͤr jene Ko¬ ketterie mit auslaͤndiſchen Manieren und Redens¬ arten, jene plumpe Feinheit, ſchwerfaͤllige Leichtig¬ keit, ſaure Suͤßeley, gezierte Rohheit, kurz fuͤr das ganze unerquickliche Treiben jener hoͤlzernen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/186>, abgerufen am 27.04.2024.