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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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sehnen wir uns oft wieder nach den engen Dumm¬
heiten und Verkehrtheiten der Heimath, und wir
möchten wieder dort in der alten, wohlbekannten
Stube sitzen, und uns, wenn es anginge, ein Haus
hinter den Ofen bauen, und warm drin hocken, und
den allgemeinen Anzeiger der Deutschen lesen. So
ging es auch mir auf der Reise nach England.
Kaum verlor ich den Anblick der deutschen Küste,
so erwachte in mir eine kuriose Nachliebe für jene
teutonischen Schlafmützen- und Perückenwälder,
die ich eben noch mit Unmuth verlassen, und als
ich das Vaterland aus den Augen verloren hatte,
fand ich es im Herzen wieder.

Daher mochte wohl meine Stimme etwas weich
klingen, als ich dem gelben Mann antwortete:
"Lieber Herr, scheltet mir nicht die Deutschen! Wenn
sie auch Träumer sind, so haben doch manche un¬
ter ihnen so schöne Träume geträumet, daß ich sie
kaum vertauschen möchte gegen die wachende Wirk¬
lichkeit unserer Nachbaren. Da wir alle schlafen

ſehnen wir uns oft wieder nach den engen Dumm¬
heiten und Verkehrtheiten der Heimath, und wir
moͤchten wieder dort in der alten, wohlbekannten
Stube ſitzen, und uns, wenn es anginge, ein Haus
hinter den Ofen bauen, und warm drin hocken, und
den allgemeinen Anzeiger der Deutſchen leſen. So
ging es auch mir auf der Reiſe nach England.
Kaum verlor ich den Anblick der deutſchen Kuͤſte,
ſo erwachte in mir eine kurioſe Nachliebe fuͤr jene
teutoniſchen Schlafmuͤtzen- und Peruͤckenwaͤlder,
die ich eben noch mit Unmuth verlaſſen, und als
ich das Vaterland aus den Augen verloren hatte,
fand ich es im Herzen wieder.

Daher mochte wohl meine Stimme etwas weich
klingen, als ich dem gelben Mann antwortete:
„Lieber Herr, ſcheltet mir nicht die Deutſchen! Wenn
ſie auch Traͤumer ſind, ſo haben doch manche un¬
ter ihnen ſo ſchoͤne Traͤume getraͤumet, daß ich ſie
kaum vertauſchen moͤchte gegen die wachende Wirk¬
lichkeit unſerer Nachbaren. Da wir alle ſchlafen

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[151/0165] ſehnen wir uns oft wieder nach den engen Dumm¬ heiten und Verkehrtheiten der Heimath, und wir moͤchten wieder dort in der alten, wohlbekannten Stube ſitzen, und uns, wenn es anginge, ein Haus hinter den Ofen bauen, und warm drin hocken, und den allgemeinen Anzeiger der Deutſchen leſen. So ging es auch mir auf der Reiſe nach England. Kaum verlor ich den Anblick der deutſchen Kuͤſte, ſo erwachte in mir eine kurioſe Nachliebe fuͤr jene teutoniſchen Schlafmuͤtzen- und Peruͤckenwaͤlder, die ich eben noch mit Unmuth verlaſſen, und als ich das Vaterland aus den Augen verloren hatte, fand ich es im Herzen wieder. Daher mochte wohl meine Stimme etwas weich klingen, als ich dem gelben Mann antwortete: „Lieber Herr, ſcheltet mir nicht die Deutſchen! Wenn ſie auch Traͤumer ſind, ſo haben doch manche un¬ ter ihnen ſo ſchoͤne Traͤume getraͤumet, daß ich ſie kaum vertauſchen moͤchte gegen die wachende Wirk¬ lichkeit unſerer Nachbaren. Da wir alle ſchlafen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/165>, abgerufen am 22.11.2024.