Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Ungleichheit erinnert wurden; -- und wenn die
Canaille roturiere sich die Freyheit nahm, jene hohe
Noblesse zu köpfen, so geschah dieses vielleicht we¬
niger um ihre Güter als um ihre Ahnen zu erben,
und statt der bürgerlichen Ungleichheit eine adliche
Gleichheit einzuführen. Daß dieses Streben nach
Gleichheit das Hauptprinzip der Revolution war,
dürfen wir um so mehr glauben, da die Franzosen sich
bald glücklich und zufrieden fühlten unter der Herrschaft
ihres großen Kaisers, der, ihre Unmündigkeit beachtend,
all ihre Freyheit unter seiner strengen Curatel hielt,
und ihnen nur die Freude einer völligen, ruhmvol¬
len Gleichheit überließ."

"Weit geduldiger als der Franzose erträgt da¬
her der Engländer den Anblick einer bevorrechteten
Aristokratie; er tröstet sich, daß er selbst Rechte be¬
sitzt, die es jener unmöglich machen, ihn in seinen
häuslichen Comforts und in seinen Lebensansprü¬
chen zu stören. Auch trägt jene Aristokratie nicht
jene Rechte zur Schau, wie auf dem Continente.

10*

Ungleichheit erinnert wurden; — und wenn die
Canaille roturière ſich die Freyheit nahm, jene hohe
Nobleſſe zu koͤpfen, ſo geſchah dieſes vielleicht we¬
niger um ihre Guͤter als um ihre Ahnen zu erben,
und ſtatt der buͤrgerlichen Ungleichheit eine adliche
Gleichheit einzufuͤhren. Daß dieſes Streben nach
Gleichheit das Hauptprinzip der Revolution war,
duͤrfen wir um ſo mehr glauben, da die Franzoſen ſich
bald gluͤcklich und zufrieden fuͤhlten unter der Herrſchaft
ihres großen Kaiſers, der, ihre Unmuͤndigkeit beachtend,
all ihre Freyheit unter ſeiner ſtrengen Curatel hielt,
und ihnen nur die Freude einer voͤlligen, ruhmvol¬
len Gleichheit uͤberließ.“

„Weit geduldiger als der Franzoſe ertraͤgt da¬
her der Englaͤnder den Anblick einer bevorrechteten
Ariſtokratie; er troͤſtet ſich, daß er ſelbſt Rechte be¬
ſitzt, die es jener unmoͤglich machen, ihn in ſeinen
haͤuslichen Comforts und in ſeinen Lebensanſpruͤ¬
chen zu ſtoͤren. Auch traͤgt jene Ariſtokratie nicht
jene Rechte zur Schau, wie auf dem Continente.

10*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="147"/>
Ungleichheit erinnert wurden; &#x2014; und wenn die<lb/>
Canaille roturière &#x017F;ich die Freyheit nahm, jene hohe<lb/>
Noble&#x017F;&#x017F;e zu ko&#x0364;pfen, &#x017F;o ge&#x017F;chah die&#x017F;es vielleicht we¬<lb/>
niger um ihre Gu&#x0364;ter als um ihre Ahnen zu erben,<lb/>
und &#x017F;tatt der bu&#x0364;rgerlichen Ungleichheit eine adliche<lb/>
Gleichheit einzufu&#x0364;hren. Daß die&#x017F;es Streben nach<lb/>
Gleichheit das Hauptprinzip der Revolution war,<lb/>
du&#x0364;rfen wir um &#x017F;o mehr glauben, da die Franzo&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
bald glu&#x0364;cklich und zufrieden fu&#x0364;hlten unter der Herr&#x017F;chaft<lb/>
ihres großen Kai&#x017F;ers, der, ihre Unmu&#x0364;ndigkeit beachtend,<lb/>
all ihre Freyheit unter &#x017F;einer &#x017F;trengen Curatel hielt,<lb/>
und ihnen nur die Freude einer vo&#x0364;lligen, ruhmvol¬<lb/>
len Gleichheit u&#x0364;berließ.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Weit geduldiger als der Franzo&#x017F;e ertra&#x0364;gt da¬<lb/>
her der Engla&#x0364;nder den Anblick einer bevorrechteten<lb/>
Ari&#x017F;tokratie; er tro&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ich, daß er &#x017F;elb&#x017F;t Rechte be¬<lb/>
&#x017F;itzt, die es jener unmo&#x0364;glich machen, ihn in &#x017F;einen<lb/>
ha&#x0364;uslichen Comforts und in &#x017F;einen Lebensan&#x017F;pru&#x0364;¬<lb/>
chen zu &#x017F;to&#x0364;ren. Auch tra&#x0364;gt jene Ari&#x017F;tokratie nicht<lb/>
jene Rechte zur Schau, wie auf dem Continente.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">10*<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0161] Ungleichheit erinnert wurden; — und wenn die Canaille roturière ſich die Freyheit nahm, jene hohe Nobleſſe zu koͤpfen, ſo geſchah dieſes vielleicht we¬ niger um ihre Guͤter als um ihre Ahnen zu erben, und ſtatt der buͤrgerlichen Ungleichheit eine adliche Gleichheit einzufuͤhren. Daß dieſes Streben nach Gleichheit das Hauptprinzip der Revolution war, duͤrfen wir um ſo mehr glauben, da die Franzoſen ſich bald gluͤcklich und zufrieden fuͤhlten unter der Herrſchaft ihres großen Kaiſers, der, ihre Unmuͤndigkeit beachtend, all ihre Freyheit unter ſeiner ſtrengen Curatel hielt, und ihnen nur die Freude einer voͤlligen, ruhmvol¬ len Gleichheit uͤberließ.“ „Weit geduldiger als der Franzoſe ertraͤgt da¬ her der Englaͤnder den Anblick einer bevorrechteten Ariſtokratie; er troͤſtet ſich, daß er ſelbſt Rechte be¬ ſitzt, die es jener unmoͤglich machen, ihn in ſeinen haͤuslichen Comforts und in ſeinen Lebensanſpruͤ¬ chen zu ſtoͤren. Auch traͤgt jene Ariſtokratie nicht jene Rechte zur Schau, wie auf dem Continente. 10*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/161
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/161>, abgerufen am 27.04.2024.