Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

schrieben, zu einer Zeit, die weit herber war als
der herbste Ausdruck, zu einer Zeit, wo es den
Anschein gewann, als könnte der Sieg der Frey¬
heit noch um ein Jahrhundert verzögert werden.
Es war wenigstens bedenklich, wenn man sah,
wie unsere Ritter so sichere Gesichter bekamen,
wie sie die verblaßten Wappen wieder frischbunt
anstreichen ließen, wie sie mit Schild und Speer
zu München und Potsdam turnierten, wie sie so
stolz auf ihren hohen Rossen saßen, als wollten sie
nach Quedlinburg reiten, um sich neu auflegen
zu lassen bey Gottfried Bassen. Noch unerträg¬
licher waren die triumphirend tückischen Aeugelein
unserer Pfäffelein, die ihre langen Ohren so
schlau unter der Kaputze zu verbergen wußten,
daß wir die verderblichsten Kniffe erwarteten. Man
konnte gar nicht vorher wissen, daß die edlen
Ritter ihre Pfeile so kläglich verschießen würden,
und meistens anonym, oder wenigstens im Da¬
vonjagen, mit abgewendetem Gesichte, wie flie¬

ſchrieben, zu einer Zeit, die weit herber war als
der herbſte Ausdruck, zu einer Zeit, wo es den
Anſchein gewann, als koͤnnte der Sieg der Frey¬
heit noch um ein Jahrhundert verzoͤgert werden.
Es war wenigſtens bedenklich, wenn man ſah,
wie unſere Ritter ſo ſichere Geſichter bekamen,
wie ſie die verblaßten Wappen wieder friſchbunt
anſtreichen ließen, wie ſie mit Schild und Speer
zu Muͤnchen und Potsdam turnierten, wie ſie ſo
ſtolz auf ihren hohen Roſſen ſaßen, als wollten ſie
nach Quedlinburg reiten, um ſich neu auflegen
zu laſſen bey Gottfried Baſſen. Noch unertraͤg¬
licher waren die triumphirend tuͤckiſchen Aeugelein
unſerer Pfaͤffelein, die ihre langen Ohren ſo
ſchlau unter der Kaputze zu verbergen wußten,
daß wir die verderblichſten Kniffe erwarteten. Man
konnte gar nicht vorher wiſſen, daß die edlen
Ritter ihre Pfeile ſo klaͤglich verſchießen wuͤrden,
und meiſtens anonym, oder wenigſtens im Da¬
vonjagen, mit abgewendetem Geſichte, wie flie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="136"/>
&#x017F;chrieben, zu einer Zeit, die weit herber war als<lb/>
der herb&#x017F;te Ausdruck, zu einer Zeit, wo es den<lb/>
An&#x017F;chein gewann, als ko&#x0364;nnte der Sieg der Frey¬<lb/>
heit noch um ein Jahrhundert verzo&#x0364;gert werden.<lb/>
Es war wenig&#x017F;tens bedenklich, wenn man &#x017F;ah,<lb/>
wie un&#x017F;ere Ritter &#x017F;o &#x017F;ichere Ge&#x017F;ichter bekamen,<lb/>
wie &#x017F;ie die verblaßten Wappen wieder fri&#x017F;chbunt<lb/>
an&#x017F;treichen ließen, wie &#x017F;ie mit Schild und Speer<lb/>
zu Mu&#x0364;nchen und Potsdam turnierten, wie &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tolz auf ihren hohen Ro&#x017F;&#x017F;en &#x017F;aßen, als wollten &#x017F;ie<lb/>
nach Quedlinburg reiten, um &#x017F;ich neu auflegen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en bey Gottfried Ba&#x017F;&#x017F;en. Noch unertra&#x0364;<lb/>
licher waren die triumphirend tu&#x0364;cki&#x017F;chen Aeugelein<lb/>
un&#x017F;erer Pfa&#x0364;ffelein, die ihre langen Ohren &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlau unter der Kaputze zu verbergen wußten,<lb/>
daß wir die verderblich&#x017F;ten Kniffe erwarteten. Man<lb/>
konnte gar nicht vorher wi&#x017F;&#x017F;en, daß die edlen<lb/>
Ritter ihre Pfeile &#x017F;o kla&#x0364;glich ver&#x017F;chießen wu&#x0364;rden,<lb/>
und mei&#x017F;tens anonym, oder wenig&#x017F;tens im Da¬<lb/>
vonjagen, mit abgewendetem Ge&#x017F;ichte, wie flie¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] ſchrieben, zu einer Zeit, die weit herber war als der herbſte Ausdruck, zu einer Zeit, wo es den Anſchein gewann, als koͤnnte der Sieg der Frey¬ heit noch um ein Jahrhundert verzoͤgert werden. Es war wenigſtens bedenklich, wenn man ſah, wie unſere Ritter ſo ſichere Geſichter bekamen, wie ſie die verblaßten Wappen wieder friſchbunt anſtreichen ließen, wie ſie mit Schild und Speer zu Muͤnchen und Potsdam turnierten, wie ſie ſo ſtolz auf ihren hohen Roſſen ſaßen, als wollten ſie nach Quedlinburg reiten, um ſich neu auflegen zu laſſen bey Gottfried Baſſen. Noch unertraͤg¬ licher waren die triumphirend tuͤckiſchen Aeugelein unſerer Pfaͤffelein, die ihre langen Ohren ſo ſchlau unter der Kaputze zu verbergen wußten, daß wir die verderblichſten Kniffe erwarteten. Man konnte gar nicht vorher wiſſen, daß die edlen Ritter ihre Pfeile ſo klaͤglich verſchießen wuͤrden, und meiſtens anonym, oder wenigſtens im Da¬ vonjagen, mit abgewendetem Geſichte, wie flie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/150
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/150>, abgerufen am 21.11.2024.