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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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und Nacht bin ich in Nöthen; denn jene Feinde
sind so tückisch, daß manche, die ich zu Tode ge¬
troffen, sich noch immer ein Air gaben als ob sie
lebten, und in alle Gestalten sich verwandelnd,
mir Tag und Nacht verleiden konnten. Wie viel
Schmerzen habe ich, durch solchen fatalen Spuk,
schon erdulden müssen! Wo mir etwas Liebes
blühte, da schlichen sie hin, die heimtückischen
Gespenster, und knickten sogar die unschuldigsten
Knospen. Ueberall, und wo ich es am wenigsten
vermuthen sollte, entdecke ich am Boden ihre
silbrigte Schleimspur, und nehme ich mich nicht
in Acht, so kann ich verderblich ausgleiten, sogar
im Hause der nächsten Lieben. Ihr mögt lächeln,
und solche Besorgniß für eitel Einbildungen, gleich
denen des Don Quixote, halten. Aber eingebil¬
dete Schmerzen thun darum nicht minder weh,
und bildet man sich ein etwas Schirling genossen
zu haben, so kann man die Auszehrung bekom¬
men, auf keinen Fall wird man davon fett. Und

und Nacht bin ich in Noͤthen; denn jene Feinde
ſind ſo tuͤckiſch, daß manche, die ich zu Tode ge¬
troffen, ſich noch immer ein Air gaben als ob ſie
lebten, und in alle Geſtalten ſich verwandelnd,
mir Tag und Nacht verleiden konnten. Wie viel
Schmerzen habe ich, durch ſolchen fatalen Spuk,
ſchon erdulden muͤſſen! Wo mir etwas Liebes
bluͤhte, da ſchlichen ſie hin, die heimtuͤckiſchen
Geſpenſter, und knickten ſogar die unſchuldigſten
Knospen. Ueberall, und wo ich es am wenigſten
vermuthen ſollte, entdecke ich am Boden ihre
ſilbrigte Schleimſpur, und nehme ich mich nicht
in Acht, ſo kann ich verderblich ausgleiten, ſogar
im Hauſe der naͤchſten Lieben. Ihr moͤgt laͤcheln,
und ſolche Beſorgniß fuͤr eitel Einbildungen, gleich
denen des Don Quixote, halten. Aber eingebil¬
dete Schmerzen thun darum nicht minder weh,
und bildet man ſich ein etwas Schirling genoſſen
zu haben, ſo kann man die Auszehrung bekom¬
men, auf keinen Fall wird man davon fett. Und

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[132/0146] und Nacht bin ich in Noͤthen; denn jene Feinde ſind ſo tuͤckiſch, daß manche, die ich zu Tode ge¬ troffen, ſich noch immer ein Air gaben als ob ſie lebten, und in alle Geſtalten ſich verwandelnd, mir Tag und Nacht verleiden konnten. Wie viel Schmerzen habe ich, durch ſolchen fatalen Spuk, ſchon erdulden muͤſſen! Wo mir etwas Liebes bluͤhte, da ſchlichen ſie hin, die heimtuͤckiſchen Geſpenſter, und knickten ſogar die unſchuldigſten Knospen. Ueberall, und wo ich es am wenigſten vermuthen ſollte, entdecke ich am Boden ihre ſilbrigte Schleimſpur, und nehme ich mich nicht in Acht, ſo kann ich verderblich ausgleiten, ſogar im Hauſe der naͤchſten Lieben. Ihr moͤgt laͤcheln, und ſolche Beſorgniß fuͤr eitel Einbildungen, gleich denen des Don Quixote, halten. Aber eingebil¬ dete Schmerzen thun darum nicht minder weh, und bildet man ſich ein etwas Schirling genoſſen zu haben, ſo kann man die Auszehrung bekom¬ men, auf keinen Fall wird man davon fett. Und

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/146>, abgerufen am 07.05.2024.