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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Ich hasse nicht den Altar, sondern ich hasse die
Schlangen, die unter dem Gerülle der alten Al¬
täre lauern; die argklugen Schlangen, die unschul¬
dig wie Blumen zu lächeln wissen, während sie
heimlich ihr Gift spritzen in den Kelch des Lebens,
und Verläumdung zischen in das Ohr des from¬
men Beters, die gleißenden Würmer mit weichen
Worten --

Mel in ore, verba lactis,
Fel in corde, fraus in factis.

Eben weil ich ein Freund des Staats und
der Religion bin, hasse ich jene Mißgeburt, die
man Staatsreligion nennt, jenes Spottgeschöpf,
das aus der Buhlschaft der weltlichen und der
geistlichen Macht entstanden, jenes Maulthier, das
der Schimmel des Antichrists mit der Eselinn
Christi gezeugt hat. Gäbe es keine solche Staats¬
religion, keine Bevorrechtung eines Dogmas und
eines Cultus, so wäre Deutschland einig und stark
und seine Söhne wären herrlich und frey. So

Ich haſſe nicht den Altar, ſondern ich haſſe die
Schlangen, die unter dem Geruͤlle der alten Al¬
taͤre lauern; die argklugen Schlangen, die unſchul¬
dig wie Blumen zu laͤcheln wiſſen, waͤhrend ſie
heimlich ihr Gift ſpritzen in den Kelch des Lebens,
und Verlaͤumdung ziſchen in das Ohr des from¬
men Beters, die gleißenden Wuͤrmer mit weichen
Worten —

Mel in ore, verba lactis,
Fel in corde, fraus in factis.

Eben weil ich ein Freund des Staats und
der Religion bin, haſſe ich jene Mißgeburt, die
man Staatsreligion nennt, jenes Spottgeſchoͤpf,
das aus der Buhlſchaft der weltlichen und der
geiſtlichen Macht entſtanden, jenes Maulthier, das
der Schimmel des Antichriſts mit der Eſelinn
Chriſti gezeugt hat. Gaͤbe es keine ſolche Staats¬
religion, keine Bevorrechtung eines Dogmas und
eines Cultus, ſo waͤre Deutſchland einig und ſtark
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[106/0120] Ich haſſe nicht den Altar, ſondern ich haſſe die Schlangen, die unter dem Geruͤlle der alten Al¬ taͤre lauern; die argklugen Schlangen, die unſchul¬ dig wie Blumen zu laͤcheln wiſſen, waͤhrend ſie heimlich ihr Gift ſpritzen in den Kelch des Lebens, und Verlaͤumdung ziſchen in das Ohr des from¬ men Beters, die gleißenden Wuͤrmer mit weichen Worten — Mel in ore, verba lactis, Fel in corde, fraus in factis. Eben weil ich ein Freund des Staats und der Religion bin, haſſe ich jene Mißgeburt, die man Staatsreligion nennt, jenes Spottgeſchoͤpf, das aus der Buhlſchaft der weltlichen und der geiſtlichen Macht entſtanden, jenes Maulthier, das der Schimmel des Antichriſts mit der Eſelinn Chriſti gezeugt hat. Gaͤbe es keine ſolche Staats¬ religion, keine Bevorrechtung eines Dogmas und eines Cultus, ſo waͤre Deutſchland einig und ſtark und ſeine Soͤhne waͤren herrlich und frey. So

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/120>, abgerufen am 22.11.2024.