wird einem zu Sinn bey'm ersten Anblick dieser uralterthümlichen Häuser mit ihren verblichenen Freskos, mit ihren zerbröckelten Heiligenbildern, mit ihren Thürmchen, Erkern, Gitterfensterchen, und jenen hervorstehenden Giebeln, die estraden¬ artig auf grauen alterschwachen Pfeilern ruhen, welche selbst einer Stütze bedürften. Solcher Anblick wäre allzu wehmüthig, wenn nicht die Natur diese abgestorbenen Steine mit neuem Leben erfrischte, wenn nicht süße Weinreben jene gebrechlichen Pfeiler, wie die Jugend das Alter, innig und zärtlich umrankten, und wenn nicht noch süßere Mädchengesichter aus jenen trüben Bogenfenstern hervorguckten, und über den deut¬ schen Fremdling lächelten, der, wie ein schlaf¬ wandelnder Träumer, durch die blühenden Rui¬ nen einherschwankt.
Ich war wirklich wie im Traum, wie in einem Traume, wo man sich auf irgend etwas besinnen
wird einem zu Sinn bey'm erſten Anblick dieſer uralterthuͤmlichen Haͤuſer mit ihren verblichenen Freskos, mit ihren zerbroͤckelten Heiligenbildern, mit ihren Thuͤrmchen, Erkern, Gitterfenſterchen, und jenen hervorſtehenden Giebeln, die eſtraden¬ artig auf grauen alterſchwachen Pfeilern ruhen, welche ſelbſt einer Stuͤtze beduͤrften. Solcher Anblick waͤre allzu wehmuͤthig, wenn nicht die Natur dieſe abgeſtorbenen Steine mit neuem Leben erfriſchte, wenn nicht ſuͤße Weinreben jene gebrechlichen Pfeiler, wie die Jugend das Alter, innig und zaͤrtlich umrankten, und wenn nicht noch ſuͤßere Maͤdchengeſichter aus jenen truͤben Bogenfenſtern hervorguckten, und uͤber den deut¬ ſchen Fremdling laͤchelten, der, wie ein ſchlaf¬ wandelnder Traͤumer, durch die bluͤhenden Rui¬ nen einherſchwankt.
Ich war wirklich wie im Traum, wie in einem Traume, wo man ſich auf irgend etwas beſinnen
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wird einem zu Sinn bey'm erſten Anblick dieſer
uralterthuͤmlichen Haͤuſer mit ihren verblichenen
Freskos, mit ihren zerbroͤckelten Heiligenbildern,
mit ihren Thuͤrmchen, Erkern, Gitterfenſterchen,
und jenen hervorſtehenden Giebeln, die eſtraden¬
artig auf grauen alterſchwachen Pfeilern ruhen,
welche ſelbſt einer Stuͤtze beduͤrften. Solcher
Anblick waͤre allzu wehmuͤthig, wenn nicht die
Natur dieſe abgeſtorbenen Steine mit neuem
Leben erfriſchte, wenn nicht ſuͤße Weinreben jene
gebrechlichen Pfeiler, wie die Jugend das Alter,
innig und zaͤrtlich umrankten, und wenn nicht
noch ſuͤßere Maͤdchengeſichter aus jenen truͤben
Bogenfenſtern hervorguckten, und uͤber den deut¬
ſchen Fremdling laͤchelten, der, wie ein ſchlaf¬
wandelnder Traͤumer, durch die bluͤhenden Rui¬
nen einherſchwankt.
Ich war wirklich wie im Traum, wie in einem
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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