Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Meinung das schöne Geschlecht ist, und das er
so sehr liebt. Es bleibt dieses immer ein Man¬
gel an Delicatesse, mancher Jüngling wird des¬
halb an seinen Huldigungen zweifeln, da jeder
fühlt, daß der Wahrhaftliebende auch das ganze
Geschlecht verehrt. Der Sänger Frauenlob war
gewiß nie grob gegen irgend ein Weib, und ein
Platen sollte daher mehr Achtung zeigen gegen
Männer. Aber der Undelikate! ohne Scheu er¬
zählt er dem Publikum: Wir Dichter in Nord¬
deutschland hätten alle die "Krätze, wofür wir
leider eine Salbe brauchten, die als mephitisch
er vor vielen schätze." Der Reim ist gut. Am
unzartesten ist er gegen Immermann. Schon im
Anfang seines Gedichts, läßt er diesen hinter
einer spanischen Wand Dinge thun, die ich nicht
nennen darf, und die dennoch nicht zu widerlegen
sind. Ich halte es sogar für wahrscheinlich, daß
Immermann schon solche Dinge gethan hat. Es ist
aber charakteristisch, daß die Phantasie des Gra¬

26

Meinung das ſchoͤne Geſchlecht iſt, und das er
ſo ſehr liebt. Es bleibt dieſes immer ein Man¬
gel an Delicateſſe, mancher Juͤngling wird des¬
halb an ſeinen Huldigungen zweifeln, da jeder
fuͤhlt, daß der Wahrhaftliebende auch das ganze
Geſchlecht verehrt. Der Saͤnger Frauenlob war
gewiß nie grob gegen irgend ein Weib, und ein
Platen ſollte daher mehr Achtung zeigen gegen
Maͤnner. Aber der Undelikate! ohne Scheu er¬
zaͤhlt er dem Publikum: Wir Dichter in Nord¬
deutſchland haͤtten alle die “Kraͤtze, wofuͤr wir
leider eine Salbe brauchten, die als mephitiſch
er vor vielen ſchaͤtze.„ Der Reim iſt gut. Am
unzarteſten iſt er gegen Immermann. Schon im
Anfang ſeines Gedichts, laͤßt er dieſen hinter
einer ſpaniſchen Wand Dinge thun, die ich nicht
nennen darf, und die dennoch nicht zu widerlegen
ſind. Ich halte es ſogar fuͤr wahrſcheinlich, daß
Immermann ſchon ſolche Dinge gethan hat. Es iſt
aber charakteriſtiſch, daß die Phantaſie des Gra¬

26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0409" n="401"/>
Meinung das &#x017F;cho&#x0364;ne Ge&#x017F;chlecht i&#x017F;t, und das er<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr liebt. Es bleibt die&#x017F;es immer ein Man¬<lb/>
gel an Delicate&#x017F;&#x017F;e, mancher Ju&#x0364;ngling wird des¬<lb/>
halb an &#x017F;einen Huldigungen zweifeln, da jeder<lb/>
fu&#x0364;hlt, daß der Wahrhaftliebende auch das ganze<lb/>
Ge&#x017F;chlecht verehrt. Der Sa&#x0364;nger Frauenlob war<lb/>
gewiß nie grob gegen irgend ein Weib, und ein<lb/>
Platen &#x017F;ollte daher mehr Achtung zeigen gegen<lb/>
Ma&#x0364;nner. Aber der Undelikate! ohne Scheu er¬<lb/>
za&#x0364;hlt er dem Publikum: Wir Dichter in Nord¬<lb/>
deut&#x017F;chland ha&#x0364;tten alle die &#x201C;Kra&#x0364;tze, wofu&#x0364;r wir<lb/>
leider eine Salbe brauchten, die als mephiti&#x017F;ch<lb/>
er vor vielen &#x017F;cha&#x0364;tze.&#x201E; Der Reim i&#x017F;t gut. Am<lb/>
unzarte&#x017F;ten i&#x017F;t er gegen Immermann. Schon im<lb/>
Anfang &#x017F;eines Gedichts, la&#x0364;ßt er die&#x017F;en hinter<lb/>
einer &#x017F;pani&#x017F;chen Wand Dinge thun, die ich nicht<lb/>
nennen darf, und die dennoch nicht zu widerlegen<lb/>
&#x017F;ind. Ich halte es &#x017F;ogar fu&#x0364;r wahr&#x017F;cheinlich, daß<lb/>
Immermann &#x017F;chon &#x017F;olche Dinge gethan hat. Es i&#x017F;t<lb/>
aber charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch, daß die Phanta&#x017F;ie des Gra¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">26<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0409] Meinung das ſchoͤne Geſchlecht iſt, und das er ſo ſehr liebt. Es bleibt dieſes immer ein Man¬ gel an Delicateſſe, mancher Juͤngling wird des¬ halb an ſeinen Huldigungen zweifeln, da jeder fuͤhlt, daß der Wahrhaftliebende auch das ganze Geſchlecht verehrt. Der Saͤnger Frauenlob war gewiß nie grob gegen irgend ein Weib, und ein Platen ſollte daher mehr Achtung zeigen gegen Maͤnner. Aber der Undelikate! ohne Scheu er¬ zaͤhlt er dem Publikum: Wir Dichter in Nord¬ deutſchland haͤtten alle die “Kraͤtze, wofuͤr wir leider eine Salbe brauchten, die als mephitiſch er vor vielen ſchaͤtze.„ Der Reim iſt gut. Am unzarteſten iſt er gegen Immermann. Schon im Anfang ſeines Gedichts, laͤßt er dieſen hinter einer ſpaniſchen Wand Dinge thun, die ich nicht nennen darf, und die dennoch nicht zu widerlegen ſind. Ich halte es ſogar fuͤr wahrſcheinlich, daß Immermann ſchon ſolche Dinge gethan hat. Es iſt aber charakteriſtiſch, daß die Phantaſie des Gra¬ 26

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/409
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/409>, abgerufen am 25.11.2024.