ohne poetischen Flug, bildet er den Gegensatz zu jenem Adler des Gesanges, der minder glänzende Flügel hat, aber sich damit zur Sonne erhebt -- ich muß wieder auf den Refrain zurückkommen: der Graf Platen ist kein Dichter.
Von einem Dichter verlangt man zwey Dinge; in seinen lyrischen Gedichten müssen Naturlaute, in seinen epischen oder dramatischen Gedichten müssen Gestalten seyn. Kann er sich in dieser Hinsicht nicht legitimiren, so wird ihm der Dichtertitel abgespro¬ chen, selbst wenn seine übrigen Familienpapiere und Adelsdiplome in der größten Ordnung sind. Daß letzteres bey dem Grafen Platen der Fall seyn mag, daran zweifle ich nicht, und ich bin über¬ zeugt, er würde mitleidig heiter lächeln, wenn man seinen Grafentitel verdächtig machen wollte; aber wagt es nur, über seinen Dichtertitel, mit einer einzigen Xenie, den geringsten Zweifel zu verrathen -- gleich wird er sich ingrimmig nieder¬ setzen und fünfaktige Satyren gegen Euch drucken.
ohne poetiſchen Flug, bildet er den Gegenſatz zu jenem Adler des Geſanges, der minder glaͤnzende Fluͤgel hat, aber ſich damit zur Sonne erhebt — ich muß wieder auf den Refrain zuruͤckkommen: der Graf Platen iſt kein Dichter.
Von einem Dichter verlangt man zwey Dinge; in ſeinen lyriſchen Gedichten muͤſſen Naturlaute, in ſeinen epiſchen oder dramatiſchen Gedichten muͤſſen Geſtalten ſeyn. Kann er ſich in dieſer Hinſicht nicht legitimiren, ſo wird ihm der Dichtertitel abgeſpro¬ chen, ſelbſt wenn ſeine uͤbrigen Familienpapiere und Adelsdiplome in der groͤßten Ordnung ſind. Daß letzteres bey dem Grafen Platen der Fall ſeyn mag, daran zweifle ich nicht, und ich bin uͤber¬ zeugt, er wuͤrde mitleidig heiter laͤcheln, wenn man ſeinen Grafentitel verdaͤchtig machen wollte; aber wagt es nur, uͤber ſeinen Dichtertitel, mit einer einzigen Xenie, den geringſten Zweifel zu verrathen — gleich wird er ſich ingrimmig nieder¬ ſetzen und fuͤnfaktige Satyren gegen Euch drucken.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0389"n="381"/>
ohne poetiſchen Flug, bildet er den Gegenſatz zu<lb/>
jenem Adler des Geſanges, der minder glaͤnzende<lb/>
Fluͤgel hat, aber ſich damit zur Sonne erhebt —<lb/>
ich muß wieder auf den Refrain zuruͤckkommen:<lb/>
der Graf Platen iſt kein Dichter.</p><lb/><p>Von einem Dichter verlangt man zwey Dinge;<lb/>
in ſeinen lyriſchen Gedichten muͤſſen Naturlaute, in<lb/>ſeinen epiſchen oder dramatiſchen Gedichten muͤſſen<lb/>
Geſtalten ſeyn. Kann er ſich in dieſer Hinſicht nicht<lb/>
legitimiren, ſo wird ihm der Dichtertitel abgeſpro¬<lb/>
chen, ſelbſt wenn ſeine uͤbrigen Familienpapiere und<lb/>
Adelsdiplome in der groͤßten Ordnung ſind. Daß<lb/>
letzteres bey dem Grafen Platen der Fall ſeyn<lb/>
mag, daran zweifle ich nicht, und ich bin uͤber¬<lb/>
zeugt, er wuͤrde mitleidig heiter laͤcheln, wenn<lb/>
man ſeinen Grafentitel verdaͤchtig machen wollte;<lb/>
aber wagt es nur, uͤber ſeinen Dichtertitel, mit<lb/>
einer einzigen Xenie, den geringſten Zweifel zu<lb/>
verrathen — gleich wird er ſich ingrimmig nieder¬<lb/>ſetzen und fuͤnfaktige Satyren gegen Euch drucken.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[381/0389]
ohne poetiſchen Flug, bildet er den Gegenſatz zu
jenem Adler des Geſanges, der minder glaͤnzende
Fluͤgel hat, aber ſich damit zur Sonne erhebt —
ich muß wieder auf den Refrain zuruͤckkommen:
der Graf Platen iſt kein Dichter.
Von einem Dichter verlangt man zwey Dinge;
in ſeinen lyriſchen Gedichten muͤſſen Naturlaute, in
ſeinen epiſchen oder dramatiſchen Gedichten muͤſſen
Geſtalten ſeyn. Kann er ſich in dieſer Hinſicht nicht
legitimiren, ſo wird ihm der Dichtertitel abgeſpro¬
chen, ſelbſt wenn ſeine uͤbrigen Familienpapiere und
Adelsdiplome in der groͤßten Ordnung ſind. Daß
letzteres bey dem Grafen Platen der Fall ſeyn
mag, daran zweifle ich nicht, und ich bin uͤber¬
zeugt, er wuͤrde mitleidig heiter laͤcheln, wenn
man ſeinen Grafentitel verdaͤchtig machen wollte;
aber wagt es nur, uͤber ſeinen Dichtertitel, mit
einer einzigen Xenie, den geringſten Zweifel zu
verrathen — gleich wird er ſich ingrimmig nieder¬
ſetzen und fuͤnfaktige Satyren gegen Euch drucken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/389>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.