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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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zur rechten Zeit kam, um dem todten Hofrath
Oerindur noch einen Hauptstich, nicht ins Haupt,
sondern, nach Fallstaffscher Weise, in die Wade
zu versetzen. Der Widerwille gegen Müllner
hatte jedes edle Herz erfüllt; der Mensch ist über¬
haupt schwach; die Polemik des Grafen mißfiel
daher nicht, und "die verhängnißvolle Gabel"
fand hie und da eine bereitwillige Aufnahme,
nicht beym großen Publikum, sondern bey Litte¬
ratoren und bey den eigentlichen Schulleuten,
bey letztern hauptsächlich weil jene Satyre nicht
mehr dem romantischen Tieck, sondern dem klassi¬
schen Aristophanes nachgeahmt war.

Ich glaube, es war um diese Zeit, daß der
Herr Graf nach Italien reis'te; er zweifelte nicht
mehr, von seiner Poesie leben zu können, Cotta
hatte die gewöhnliche prosaische Ehre, für Rech¬
nung der Poesie das Geld herzugeben; denn die
Poesie, die Himmelstochter, die Hochgeborene,
hat selbst nie Geld und wendet sich, bey solchem

zur rechten Zeit kam, um dem todten Hofrath
Oerindur noch einen Hauptſtich, nicht ins Haupt,
ſondern, nach Fallſtaffſcher Weiſe, in die Wade
zu verſetzen. Der Widerwille gegen Muͤllner
hatte jedes edle Herz erfuͤllt; der Menſch iſt uͤber¬
haupt ſchwach; die Polemik des Grafen mißfiel
daher nicht, und “die verhaͤngnißvolle Gabel„
fand hie und da eine bereitwillige Aufnahme,
nicht beym großen Publikum, ſondern bey Litte¬
ratoren und bey den eigentlichen Schulleuten,
bey letztern hauptſaͤchlich weil jene Satyre nicht
mehr dem romantiſchen Tieck, ſondern dem klaſſi¬
ſchen Ariſtophanes nachgeahmt war.

Ich glaube, es war um dieſe Zeit, daß der
Herr Graf nach Italien reiſ'te; er zweifelte nicht
mehr, von ſeiner Poeſie leben zu koͤnnen, Cotta
hatte die gewoͤhnliche proſaiſche Ehre, fuͤr Rech¬
nung der Poeſie das Geld herzugeben; denn die
Poeſie, die Himmelstochter, die Hochgeborene,
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[368/0376] zur rechten Zeit kam, um dem todten Hofrath Oerindur noch einen Hauptſtich, nicht ins Haupt, ſondern, nach Fallſtaffſcher Weiſe, in die Wade zu verſetzen. Der Widerwille gegen Muͤllner hatte jedes edle Herz erfuͤllt; der Menſch iſt uͤber¬ haupt ſchwach; die Polemik des Grafen mißfiel daher nicht, und “die verhaͤngnißvolle Gabel„ fand hie und da eine bereitwillige Aufnahme, nicht beym großen Publikum, ſondern bey Litte¬ ratoren und bey den eigentlichen Schulleuten, bey letztern hauptſaͤchlich weil jene Satyre nicht mehr dem romantiſchen Tieck, ſondern dem klaſſi¬ ſchen Ariſtophanes nachgeahmt war. Ich glaube, es war um dieſe Zeit, daß der Herr Graf nach Italien reiſ'te; er zweifelte nicht mehr, von ſeiner Poeſie leben zu koͤnnen, Cotta hatte die gewoͤhnliche proſaiſche Ehre, fuͤr Rech¬ nung der Poeſie das Geld herzugeben; denn die Poeſie, die Himmelstochter, die Hochgeborene, hat ſelbſt nie Geld und wendet ſich, bey ſolchem

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/376>, abgerufen am 22.11.2024.