Ich war nie berauscht, ich habe nie ein Weib berührt und habe nie eine Schlacht verloren. Deshalb gewiß sagt von ihm der Dichter:
Du bist ein nüchterner, modester Junge.
Der arme Junge, oder vielmehr der arme alte Junge -- denn er hatte schon einige Lustren hinter sich -- hockte damals, wenn ich nicht irre, auf der Bibliothek in Erlangen, wo man ihm einige Beschäftigung angewiesen hatte; doch da diese seinem hochstrebenden Geiste nicht genügte, da mit den Lustren auch die Lüstern¬ heit nach illüstrer Lust ihn mehr und mehr stachelte, und der Graf von seiner künftigen Herrlichkeit täglich mehr und mehr begeistert wurde, gab er jenes Geschäft auf, und beschloß, von der Schrift¬ stellerei, von gelegentlichen Gaben von oben und einigen sonstigen Verdiensten zu leben. Die Graf¬ schaft des Grafen liegt nemlich im Monde, von wo er, wegen der schlechten Communikazion mit Bayern, nach Gruithuisens Berechnung, erst in
Ich war nie berauſcht, ich habe nie ein Weib beruͤhrt und habe nie eine Schlacht verloren. Deshalb gewiß ſagt von ihm der Dichter:
Du biſt ein nuͤchterner, modeſter Junge.
Der arme Junge, oder vielmehr der arme alte Junge — denn er hatte ſchon einige Luſtren hinter ſich — hockte damals, wenn ich nicht irre, auf der Bibliothek in Erlangen, wo man ihm einige Beſchaͤftigung angewieſen hatte; doch da dieſe ſeinem hochſtrebenden Geiſte nicht genuͤgte, da mit den Luſtren auch die Luͤſtern¬ heit nach illuͤſtrer Luſt ihn mehr und mehr ſtachelte, und der Graf von ſeiner kuͤnftigen Herrlichkeit taͤglich mehr und mehr begeiſtert wurde, gab er jenes Geſchaͤft auf, und beſchloß, von der Schrift¬ ſtellerei, von gelegentlichen Gaben von oben und einigen ſonſtigen Verdienſten zu leben. Die Graf¬ ſchaft des Grafen liegt nemlich im Monde, von wo er, wegen der ſchlechten Communikazion mit Bayern, nach Gruithuiſens Berechnung, erſt in
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Ich war nie berauſcht, ich habe nie ein Weib
beruͤhrt und habe nie eine Schlacht verloren.
Deshalb gewiß ſagt von ihm der Dichter:
Du biſt ein nuͤchterner, modeſter Junge.
Der arme Junge, oder vielmehr der arme
alte Junge — denn er hatte ſchon einige
Luſtren hinter ſich — hockte damals, wenn ich
nicht irre, auf der Bibliothek in Erlangen,
wo man ihm einige Beſchaͤftigung angewieſen
hatte; doch da dieſe ſeinem hochſtrebenden Geiſte
nicht genuͤgte, da mit den Luſtren auch die Luͤſtern¬
heit nach illuͤſtrer Luſt ihn mehr und mehr ſtachelte,
und der Graf von ſeiner kuͤnftigen Herrlichkeit
taͤglich mehr und mehr begeiſtert wurde, gab er
jenes Geſchaͤft auf, und beſchloß, von der Schrift¬
ſtellerei, von gelegentlichen Gaben von oben und
einigen ſonſtigen Verdienſten zu leben. Die Graf¬
ſchaft des Grafen liegt nemlich im Monde, von
wo er, wegen der ſchlechten Communikazion mit
Bayern, nach Gruithuiſens Berechnung, erſt in
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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