flicht zusammen! komische Poesie! Mein Schwa¬ ger, wenn er Gedichte liest, macht oft den Spaß, daß er am Ende jeder Zeile die Worte "von vorn" und "von hinten" abwechselnd hinzusetzt; und ich habe nie gewußt, daß die Poesiegedichte, die dadurch entstehen, Gaselen heißen. Ich muß einmal die Probe machen, ob das Gedicht, das der Herr Markese deklamirt hat, nicht noch schö¬ ner wird, wenn man nach dem Wort "zusam¬ men" jedesmal, mit Abwechslung "von vorn" und "von hinten" setzt; die Poesie davon wird gewiß zwanzig Prozent stärker.
Ohne auf dieses Geschwätz zu achten, fuhr der Markese fort im Deklamiren von Gaselen und Sonetten, worin der Liebende seinen Schön¬ heitsfreund besingt, ihn preist, sich über ihn be¬ klagt, ihn des Kaltsinns beschuldigt, Pläne schmie¬ det, um zu ihm zu gelangen, mit ihm äugelt, eifersüchtelt, schmächtelt, eine ganze Scala von Zärtlichkeiten durchliebelt, und zwar so warmselig,
flicht zuſammen! komiſche Poeſie! Mein Schwa¬ ger, wenn er Gedichte lieſt, macht oft den Spaß, daß er am Ende jeder Zeile die Worte “von vorn„ und “von hinten„ abwechſelnd hinzuſetzt; und ich habe nie gewußt, daß die Poeſiegedichte, die dadurch entſtehen, Gaſelen heißen. Ich muß einmal die Probe machen, ob das Gedicht, das der Herr Markeſe deklamirt hat, nicht noch ſchoͤ¬ ner wird, wenn man nach dem Wort “zuſam¬ men„ jedesmal, mit Abwechslung “von vorn„ und “von hinten„ ſetzt; die Poeſie davon wird gewiß zwanzig Prozent ſtaͤrker.
Ohne auf dieſes Geſchwaͤtz zu achten, fuhr der Markeſe fort im Deklamiren von Gaſelen und Sonetten, worin der Liebende ſeinen Schoͤn¬ heitsfreund beſingt, ihn preiſt, ſich uͤber ihn be¬ klagt, ihn des Kaltſinns beſchuldigt, Plaͤne ſchmie¬ det, um zu ihm zu gelangen, mit ihm aͤugelt, eiferſuͤchtelt, ſchmaͤchtelt, eine ganze Scala von Zaͤrtlichkeiten durchliebelt, und zwar ſo warmſelig,
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flicht zuſammen! komiſche Poeſie! Mein Schwa¬
ger, wenn er Gedichte lieſt, macht oft den Spaß,
daß er am Ende jeder Zeile die Worte “von
vorn„ und “von hinten„ abwechſelnd hinzuſetzt;
und ich habe nie gewußt, daß die Poeſiegedichte,
die dadurch entſtehen, Gaſelen heißen. Ich muß
einmal die Probe machen, ob das Gedicht, das
der Herr Markeſe deklamirt hat, nicht noch ſchoͤ¬
ner wird, wenn man nach dem Wort “zuſam¬
men„ jedesmal, mit Abwechslung “von vorn„
und “von hinten„ ſetzt; die Poeſie davon wird
gewiß zwanzig Prozent ſtaͤrker.
Ohne auf dieſes Geſchwaͤtz zu achten, fuhr
der Markeſe fort im Deklamiren von Gaſelen
und Sonetten, worin der Liebende ſeinen Schoͤn¬
heitsfreund beſingt, ihn preiſt, ſich uͤber ihn be¬
klagt, ihn des Kaltſinns beſchuldigt, Plaͤne ſchmie¬
det, um zu ihm zu gelangen, mit ihm aͤugelt,
eiferſuͤchtelt, ſchmaͤchtelt, eine ganze Scala von
Zaͤrtlichkeiten durchliebelt, und zwar ſo warmſelig,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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