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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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seinem verwundert wehmüthigen Kopfschütteln
betrachtete.

Wenn ich bedenke -- seufzte er -- daß mir
vor zehn Jahren die dicke Gudel dies Rezept
gegeben, und daß ich jetzt in Italien bin und
dasselbe Rezept in Händen habe, und wieder die
Worte lese: sal mirabile Glauberi, das heißt
auf deutsch extra feines Glaubensalz von der
besten Sorte -- ach, da ist mir zu Muth, als
hätte ich das Glaubensalz selbst schon eingenom¬
men und als fühlte ich die Wirkung. Was ist
der Mensch! Ich bin in Italien und denke an
die dicke Gudel vom Dreckwall! Wer hätte das
gedacht! Ich kann mir vorstellen, sie ist jetzt
auf dem Lande, in ihrem Garten, wo der Mond
scheint, und gewiß auch eine Nachtigall singt oder
eine Lerche --

Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche!
seufzte Gumpelino dazwischen, und deklamirte
vor sich hin:

21 *

ſeinem verwundert wehmuͤthigen Kopfſchuͤtteln
betrachtete.

Wenn ich bedenke — ſeufzte er — daß mir
vor zehn Jahren die dicke Gudel dies Rezept
gegeben, und daß ich jetzt in Italien bin und
daſſelbe Rezept in Haͤnden habe, und wieder die
Worte leſe: sal mirabile Glauberi, das heißt
auf deutſch extra feines Glaubenſalz von der
beſten Sorte — ach, da iſt mir zu Muth, als
haͤtte ich das Glaubenſalz ſelbſt ſchon eingenom¬
men und als fuͤhlte ich die Wirkung. Was iſt
der Menſch! Ich bin in Italien und denke an
die dicke Gudel vom Dreckwall! Wer haͤtte das
gedacht! Ich kann mir vorſtellen, ſie iſt jetzt
auf dem Lande, in ihrem Garten, wo der Mond
ſcheint, und gewiß auch eine Nachtigall ſingt oder
eine Lerche —

Es iſt die Nachtigall und nicht die Lerche!
ſeufzte Gumpelino dazwiſchen, und deklamirte
vor ſich hin:

21 *
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[323/0331] ſeinem verwundert wehmuͤthigen Kopfſchuͤtteln betrachtete. Wenn ich bedenke — ſeufzte er — daß mir vor zehn Jahren die dicke Gudel dies Rezept gegeben, und daß ich jetzt in Italien bin und daſſelbe Rezept in Haͤnden habe, und wieder die Worte leſe: sal mirabile Glauberi, das heißt auf deutſch extra feines Glaubenſalz von der beſten Sorte — ach, da iſt mir zu Muth, als haͤtte ich das Glaubenſalz ſelbſt ſchon eingenom¬ men und als fuͤhlte ich die Wirkung. Was iſt der Menſch! Ich bin in Italien und denke an die dicke Gudel vom Dreckwall! Wer haͤtte das gedacht! Ich kann mir vorſtellen, ſie iſt jetzt auf dem Lande, in ihrem Garten, wo der Mond ſcheint, und gewiß auch eine Nachtigall ſingt oder eine Lerche — Es iſt die Nachtigall und nicht die Lerche! ſeufzte Gumpelino dazwiſchen, und deklamirte vor ſich hin: 21 *

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/331>, abgerufen am 24.11.2024.