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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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heimlich die Hände, wir treten uns unter'm Tisch
auf die Füße, wir winken uns mit den Augen,
und wir haben keine Gelegenheit! Wie oft stehe
ich im Mondschein auf dem Balkon, und bilde
mir ein ich wäre selbst die Julia, und mein
Romeo oder mein Gumpelino habe mir ein Ren¬
dezvous gegeben, und ich deklamire, ganz wie
die Crelinger:

Komm Nacht! Komm Gumpelino, Tag in Nacht!
Denn du wirst ruhn auf Fittigen der Nacht,
Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken.
Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb
Mir meinen Romeo, oder Gumpelino --
Aber ach! Lord Maxfield bewacht uns beständig,
und wir sterben beide vor Sehnsuchtsgefühl!
Ich werde den Tag nicht erleben, daß eine solche
Nacht kommt, wo Jedes reiner Jugend Blüthe
zum Pfande setzt, gewinnend zu verlieren! Ach!
so eine Nacht wäre mir lieber, als wenn ich
das große Loos in der Hamburger Lotterie ge¬
wönne --

heimlich die Haͤnde, wir treten uns unter'm Tiſch
auf die Fuͤße, wir winken uns mit den Augen,
und wir haben keine Gelegenheit! Wie oft ſtehe
ich im Mondſchein auf dem Balkon, und bilde
mir ein ich waͤre ſelbſt die Julia, und mein
Romeo oder mein Gumpelino habe mir ein Ren¬
dezvous gegeben, und ich deklamire, ganz wie
die Crelinger:

Komm Nacht! Komm Gumpelino, Tag in Nacht!
Denn du wirſt ruhn auf Fittigen der Nacht,
Wie friſcher Schnee auf eines Raben Ruͤcken.
Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb
Mir meinen Romeo, oder Gumpelino —
Aber ach! Lord Maxfield bewacht uns beſtaͤndig,
und wir ſterben beide vor Sehnſuchtsgefuͤhl!
Ich werde den Tag nicht erleben, daß eine ſolche
Nacht kommt, wo Jedes reiner Jugend Bluͤthe
zum Pfande ſetzt, gewinnend zu verlieren! Ach!
ſo eine Nacht waͤre mir lieber, als wenn ich
das große Loos in der Hamburger Lotterie ge¬
woͤnne —

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[318/0326] heimlich die Haͤnde, wir treten uns unter'm Tiſch auf die Fuͤße, wir winken uns mit den Augen, und wir haben keine Gelegenheit! Wie oft ſtehe ich im Mondſchein auf dem Balkon, und bilde mir ein ich waͤre ſelbſt die Julia, und mein Romeo oder mein Gumpelino habe mir ein Ren¬ dezvous gegeben, und ich deklamire, ganz wie die Crelinger: Komm Nacht! Komm Gumpelino, Tag in Nacht! Denn du wirſt ruhn auf Fittigen der Nacht, Wie friſcher Schnee auf eines Raben Ruͤcken. Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb Mir meinen Romeo, oder Gumpelino — Aber ach! Lord Maxfield bewacht uns beſtaͤndig, und wir ſterben beide vor Sehnſuchtsgefuͤhl! Ich werde den Tag nicht erleben, daß eine ſolche Nacht kommt, wo Jedes reiner Jugend Bluͤthe zum Pfande ſetzt, gewinnend zu verlieren! Ach! ſo eine Nacht waͤre mir lieber, als wenn ich das große Loos in der Hamburger Lotterie ge¬ woͤnne —

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/326>, abgerufen am 10.05.2024.