deutete, fügte er noch leiser hinzu: so liegt er alle Abend zwey Stunden auf den Knieen vor der Prima Donna mit dem Jesuskind. Es ist ein prächtiges Kunstbild, und es kostet ihm sechs¬ hundert Franceskonis.
Und Sie, Herr Hyazinth, warum knieen Sie nicht hinter ihm? Oder sind Sie etwa kein Freund von der katholischen Religion?
Ich bin ein Freund davon, und bin auch wieder kein Freund davon, antwortete jener mit bedenklichem Kopfwiegen. Es ist eine gute Reli¬ gion für einen vornehmen Baron, der den ganzen Tag müssig gehen kann, und für einen Kunst¬ kenner; aber es ist keine Religion für einen Hamburger, für einen Mann, der sein Geschäft hat, und durchaus keine Religion für einen Lot¬ teriekollekteur. Ich muß jede Nummer, die ge¬ zogen wird, ganz exakt aufschreiben, und denke ich dann zufällig an Bum! Bum! Bum! an eine katholische Glock', oder schwebelt es mir
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deutete, fuͤgte er noch leiſer hinzu: ſo liegt er alle Abend zwey Stunden auf den Knieen vor der Prima Donna mit dem Jeſuskind. Es iſt ein praͤchtiges Kunſtbild, und es koſtet ihm ſechs¬ hundert Franceskonis.
Und Sie, Herr Hyazinth, warum knieen Sie nicht hinter ihm? Oder ſind Sie etwa kein Freund von der katholiſchen Religion?
Ich bin ein Freund davon, und bin auch wieder kein Freund davon, antwortete jener mit bedenklichem Kopfwiegen. Es iſt eine gute Reli¬ gion fuͤr einen vornehmen Baron, der den ganzen Tag muͤſſig gehen kann, und fuͤr einen Kunſt¬ kenner; aber es iſt keine Religion fuͤr einen Hamburger, fuͤr einen Mann, der ſein Geſchaͤft hat, und durchaus keine Religion fuͤr einen Lot¬ teriekollekteur. Ich muß jede Nummer, die ge¬ zogen wird, ganz exakt aufſchreiben, und denke ich dann zufaͤllig an Bum! Bum! Bum! an eine katholiſche Glock', oder ſchwebelt es mir
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deutete, fuͤgte er noch leiſer hinzu: ſo liegt er
alle Abend zwey Stunden auf den Knieen vor
der Prima Donna mit dem Jeſuskind. Es iſt
ein praͤchtiges Kunſtbild, und es koſtet ihm ſechs¬
hundert Franceskonis.
Und Sie, Herr Hyazinth, warum knieen Sie
nicht hinter ihm? Oder ſind Sie etwa kein Freund
von der katholiſchen Religion?
Ich bin ein Freund davon, und bin auch
wieder kein Freund davon, antwortete jener mit
bedenklichem Kopfwiegen. Es iſt eine gute Reli¬
gion fuͤr einen vornehmen Baron, der den ganzen
Tag muͤſſig gehen kann, und fuͤr einen Kunſt¬
kenner; aber es iſt keine Religion fuͤr einen
Hamburger, fuͤr einen Mann, der ſein Geſchaͤft
hat, und durchaus keine Religion fuͤr einen Lot¬
toriekollekteur. Ich muß jede Nummer, die ge¬
zogen wird, ganz exakt aufſchreiben, und denke
ich dann zufaͤllig an Bum! Bum! Bum! an
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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