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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Du siehst, lieber Leser, daß ich dir gern eine
gründliche Lokalbeschreibung meines Glückes lie¬
fern möchte, und, wie andere Reisende ihren Wer¬
ken noch besondere Karten von historisch wichtigen
oder sonst merkwürdigen Bezirken beyfügen, so
möchte ich Franscheska in Kupfer stechen lassen.
Aber ach! was hilft die todte Copie der äußern
Umrisse bey Formen, deren göttlichster Reiz in
der lebendigen Bewegung besteht. Selbst der beste
Maler kann uns diesen nicht zur Anschauung
bringen; denn die Malerey ist doch nur eine
platte Lüge. Eher vermöchte es der Bildhauer;
durch wechselnde Beleuchtung können wir bey
Statuen uns einigermaßen eine Bewegung der
Formen denken, und die Fackel, die ihnen
nur äußeres Licht zuwirft, scheint sie auch von
innen zu beleben. Ja, es giebt eine Statue,
die dir, lieber Leser, einen marmornen Begriff
von Franscheska's Herrlichkeit zu geben vermöchte,
und das ist die Venus des großen Canova, die

18 *

Du ſiehſt, lieber Leſer, daß ich dir gern eine
gruͤndliche Lokalbeſchreibung meines Gluͤckes lie¬
fern moͤchte, und, wie andere Reiſende ihren Wer¬
ken noch beſondere Karten von hiſtoriſch wichtigen
oder ſonſt merkwuͤrdigen Bezirken beyfuͤgen, ſo
moͤchte ich Franſcheska in Kupfer ſtechen laſſen.
Aber ach! was hilft die todte Copie der aͤußern
Umriſſe bey Formen, deren goͤttlichſter Reiz in
der lebendigen Bewegung beſteht. Selbſt der beſte
Maler kann uns dieſen nicht zur Anſchauung
bringen; denn die Malerey iſt doch nur eine
platte Luͤge. Eher vermoͤchte es der Bildhauer;
durch wechſelnde Beleuchtung koͤnnen wir bey
Statuen uns einigermaßen eine Bewegung der
Formen denken, und die Fackel, die ihnen
nur aͤußeres Licht zuwirft, ſcheint ſie auch von
innen zu beleben. Ja, es giebt eine Statue,
die dir, lieber Leſer, einen marmornen Begriff
von Franſcheska's Herrlichkeit zu geben vermoͤchte,
und das iſt die Venus des großen Canova, die

18 *
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[275/0283] Du ſiehſt, lieber Leſer, daß ich dir gern eine gruͤndliche Lokalbeſchreibung meines Gluͤckes lie¬ fern moͤchte, und, wie andere Reiſende ihren Wer¬ ken noch beſondere Karten von hiſtoriſch wichtigen oder ſonſt merkwuͤrdigen Bezirken beyfuͤgen, ſo moͤchte ich Franſcheska in Kupfer ſtechen laſſen. Aber ach! was hilft die todte Copie der aͤußern Umriſſe bey Formen, deren goͤttlichſter Reiz in der lebendigen Bewegung beſteht. Selbſt der beſte Maler kann uns dieſen nicht zur Anſchauung bringen; denn die Malerey iſt doch nur eine platte Luͤge. Eher vermoͤchte es der Bildhauer; durch wechſelnde Beleuchtung koͤnnen wir bey Statuen uns einigermaßen eine Bewegung der Formen denken, und die Fackel, die ihnen nur aͤußeres Licht zuwirft, ſcheint ſie auch von innen zu beleben. Ja, es giebt eine Statue, die dir, lieber Leſer, einen marmornen Begriff von Franſcheska's Herrlichkeit zu geben vermoͤchte, und das iſt die Venus des großen Canova, die 18 *

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/283>, abgerufen am 16.07.2024.